Merkmale | Stadtpalais, 1834 erbaut von Architekt A.F.F. Leydel, dreigeschossig in fünf Achsen mit einachsigen Seitenrisaliten, Gliederung durch Lisenen und verkröpfte Gesimse an EG und Traufe, Tordurchfahrt in der linken Achse, hist. Torflügel mit Löwenkopf, klassizistische Putzfassade über Blausteinsockel, die Seitenrisalite durch Schmuckformen und Balkone hervorgehoben, ebenso die drei mittleren Fenster des 1. OG mit halbrunden Blendnischen, Flachreliefstuck, Attika mit Ballustrade; Satteldach mit rückseitig fünf Gauben. Rückfassade verputzt in vier Achsen, linke Achse verbreitert, schlichte Gliederung mittels Lisenen und
Bänderung. Über der Tordurchfahrt Balkon und Fenster mit halbrunder Blendnische. Rundbogiger Hauseingang in der Durchfahrt. Holzfenster erneuert. Hofseitig dreigeschossiger Anbau mit Pultdach in vier Achsen, oberstes Geschoss in fünf Achsen nachträglich, Putzfassade mit Sohlbankgesimsen, Fenster mit Segmentbogen, zweiflügelige Holzfenster mit Oberlicht. Giebelseite mit klassizistischer Doppelfügeltür mit Oberlicht (Spolie) und Balkon. Gartenhaus (ehem. Remise) mit Walmdach, ursprünglicher Baukörper verändert, Putzfassade auf Blausteinsockel, Giebelfassade zum Garten mit halbrunden Blendnischen in Anlehnung an Straßenfassade gestaltet, hier Blausteinsockel mit eingefügtem kleinen Laufbrunnen, Mittelachse mit Balkon, Walmdach. Davor niedrige Mauer mit Ziergitter und Tor zum Garten.
Innen mehrfach verändert, im Vorderhaus prägend das 1967 erbaute Treppenoval, Treppengeländer mit Spolien des Hauses Theaterstraße 106 sowie drei hölzerne und eine eiserne (Neo-)Rokoko-Tür, Kellergeschoss mit Gewölbe- und Kappendecken; im EG Gartenhaus ehem. Wohnraum Matthéys mit zwei versetzten Ebenen, hier wandfeste hist. Ausstattungselemente aus seiner Sammlertätigkeit (Treppe, Spiegel, Buntglasfenster, Türrahmen), Decke mit Stuckrahmung, Marmorboden.
- Siehe Gutachten vom 30.07.2019 - |
Begründung | Das Objekt ist bedeutend für die Geschichte der Menschen und für Städte und Siedlungen. Für seine Erhaltung und
Nutzung liegen künstlerische, wissenschaftliche und städtebauliche Gründe vor.
Bedeutung für die Geschichte des Menschen und der Städte und Siedlungen:
Die Theaterstraße wurde 1825 / 26 zusammen mit dem Theaterplatz nach Plänen des Architekten Johann Peter Cremer als Verbindung und Sichtachse zwischen der Innenstadt mit der Stadt Burtscheid angelegt. Die Straßenachse ist Bestandteil der ersten Stadtplanung, die den mittelalterlichen Stadtgrundriss und den äußeren Mauerring durchbrach. Das starke Bevölkerungswachstum und der Bedarf an Wohnungen für die Mittel- und Oberschicht im Kontext der industriellen Revolution führte dazu, dass im 19. Jh. die bisher wenig bebauten innerstädtischen Garten- bzw. landwirtschaftlichen Flächen durch neue Straßen erschlossen und bebaut wurden. Die neue Theaterstraße, die als Prachtallee eine großzügige Bebauung zuließ, wurde zunächst vor allem mit repräsentativen Wohnhäusern und Stadtpalais wohlhabender Bürger und Industrieller flankiert. Bereits wenige Jahre später drängten auch große Bankhäuser und Geschäftshäuser an die prestigeträchtige Straße. Die Grundstücke
boten z.T. die Möglichkeit, neben breiten Häusern auch größere Gärten anzulegen. Bekanntestes Beispiel hierfür war der zum hier beschriebenen Gebäude Theaterstr. 67 gehörige, parkartige Garten des Tuchindustriellen Deusner (nicht mehr erhalten).
Das Gebäude Theaterstraße 67 verkörpert in seinem äußeren Erscheinungsbild als klassizistischer Bau in fünf Achsen mit Toreinfahrt einen bürgerlichen Prachtbau bzw. Stadtpalais, wie er für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts typisch ist. Dass dieser der den Ansprüchen der Bauherrenschaft bzw. seiner wohlhabenden Bewohner gerecht wurde, zeigt die gesellschaftliche Stellung des Erbauers Deusner, aber auch namhafter späterer Nutzer und Bewohner wie dem preuß. Oberregierungsrat und Regierungsvizepräsidenten Von Görschen und in den 1960er Jahren dem Tuchhändler und Kunstsammler Theo Matthéy.
Die Straßenanlage und die noch vorhandenen Bauten aus der Mitte des 19. Jh. und Anfang des 20. Jh. vermitteln dem Betrachter auch heute noch in weiten Teilen einen nachvollziehbaren Eindruck der großzügigen, repräsentativen Achse. Die Theaterstraße bot zum einen Platz für prachtvolle Wohn- und Geschäftshäuser, zum anderen diente sie der weiteren städtischen Entwicklung des Bahnhofsviertels und des Frankenberger Viertels als Ausgangspunkt. Das Gebäude Theaterstraße 67 ist, zusammen mit den übrigen historischen Gebäuden an der Theaterstraße, ein wichtiges Zeugnis für die damaligen Wohnverhältnisse der wohlhabenden Bevölkerung sowie der baulichen Entwicklung Aachens und insofern bedeutend für dessen Bau- und Siedlungsgeschichte und für die Geschichte des Menschen.
Ferner liegen für Erhalt und Nutzung vor:
Künstlerische Gründe:
Architekt des Gebäudes und zugleich für viele weitere Gebäude entlang der Theaterstraße verantwortlich war Adam Franz Friedrich Leydel (*1793 in Krefeld, +1838 in Aachen). Leydel übernahm seit 1812 selbstständige Planungen für die Stadt Aachen, wird vor 1814 Departementsbaumeister und schließlich 1817 Stadtbaumeister Aachens. Zu seinen Hauptaufgaben gehörte u.a. die Planung neuer Toranlagen und städtische Bäder (Königstor, Quirinus- und Rosenbad). Darüber hinaus baute Leydel im Privatauftrag zahlreiche stattliche Wohnhäuser. Das Haus zeigt anhand verschiedener Merkmale der Fassadengestaltung typische und individuelle Gestaltungselemente Leydels. So sind für seine Bauten die Bevorzugung von Putzfassaden, kubische Baukörper mit horizontalen oberen Attikaabschlüssen o.ä., rhythmische Fassadengestaltungen, halbkreisförmige Blendnischen und sparsam verwendeter Schmuck typisch - Elemente, die am hier zur Rede stehenden Gebäudekomplex alle angewandt und deutlich an der qualitätvollen Fassadengestaltung nachvollziehbar sind. Durch seine klassizistische, noch vom Barock geprägte
Bauweise unterscheidet sich Leydel z.B. vom zeitgleich in Aachen tätigen Architekten J. P. Cremer (Theater / Elisenbrunnen), der einen von K. F. Schinkel geprägten, regelhafteren Klassizismus vertrat. Leydels Baustil fand im 19. Jh. weitere Nachfolge unter den Aachener Architekten. Leydel gehört somit zu den für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts prägenden Architekten in Aachen. Gerade weil viele von Leydels Werken im 2. Weltkrieg zerstört wurden, kommt dem Gebäude Theaterstr. 67 eine besondere Bedeutung im OEvre und künstlerischen Schaffen Leydels zu. Das Stadtpalais bis heute einer der prächtigsten klassizistischen Bauten im städtischen Umfeld Aachens.
Eine für das heutige Gebäude prägende Ausbauphase fand unter dem bekannten Kunstsammler Theo Matthéy Mitte der 1960er Jahre statt. Matthéy nutzte das ehem. Stadtpalais "omen es nomen" als Sitz seines Tuchhandels und zu
Wohnzwecken. Dabei wurde ein Teil seiner Sammlung besonderer, antiquarischer Ausstattungselemente fest mit der
Architektur verbunden. So finden sich in seinen ehem. Wohnräumen im Gartentrakt noch mehrere barocke,
wandfeste Ausstattungselemente von gestalterischer Qualität. Auch das moderne Treppenhaus im Vorderhaus dient
als Träger von Spolien und zeigt die Idee Matthéys, historische Elemente mit modernen zu verknüpfen.
Während die hist. Ausstattungsgegenstände und Spolien an sich eine für ihre Entstehungszeit typische
Kunstfertigkeit und Qualität zeigen, zeugt der Einbau unter Matthéy von seiner Persönlichkeit und historischen
Bedeutung als Sammler. Davon kündet z.B. auch die Fassade, in deren klassizistische Balkongitter unter Matthéy
mehrere "M" eingeschweißt wurden und damit an barocke Monogramme erinnern. Das Haus erhielt somit als
Firmen- und Wohnsitz unter Matthéy eine eigene, individuelle Gestaltung und ist v.a. aufgrund der eingebauten,
historischen Sammlungsstücke als ehem. "Privatmuseum" Zeugnis der Sammlerpersönlichkeit Matthéy.
Wissenschaftliche Gründe:
Die Fassaden des Vorderhauses weisen eine klassizistische Gestaltung auf, wie sie für Leydels Bauten und Entwürfe markant und v.a. in der Literatur überliefert ist, sich aber selten erhalten hat. Dazu gehören v.a. eine rhythmische Fassadengestaltung, rundbogige Blendnischen, Flachreliefs, horizontale obere Abschlüssen mit Attiken usw. Die straßenseitige Putzfassade wirkt zudem vor allem aufgrund ihrer Breite und Geschosshöhe sowie der strengen Gliederung und Symmetrie. Sparsam und wohlplatziert eingesetzte Schmuckelemente setzen hier einzelne Akzente auf die beiden Seitenrisalite sowie Beletage und Traufe. Die Detailausformungen der Flachreliefs und der Balkon- bzw. Fensterbrüstungsgitter sind zeittypisch und zeugen von hoher gestalterischer Qualität. Die Großzügigkeit der Fassade bzw. Kubatur sowie die prominente Lage an der Theaterstraße verweisen auf den wohlhabenden Bauherren, zumal die Toreinfahrt mit Hauseingang die ehem. zugehörigen Remise und damit den Besitz von Kutsche(n) anzeigt. Gliedernde Elemente wie Lisenden, Gesimse und Blendnischen wiederholen sich in
vereinfachten Formen an den rückwärtigen, aber vermutlich z.T. jüngeren Anbauten. Das Gebäude zeugt somit in seiner Grundform und Fassadengestaltung zum einen von den Ansprüchen und Wohnverhältnissen einer wohlhabenden Bauherrenschaft Mitte des 19. Jahrhunderts, zum anderen ist es ein Beispiel für die Architektursprache und -entwicklung dieser Zeit und insbesondere für die vorbildhafte Architekturgestaltung Leydels, deren Nachwirkungen an anderen Bauten der Stadt ablesbar sind. Darüber hinaus ist die um 1966 erfolgte Umgestaltung und wandfeste Ausstattung von Teilen des Gebäudes mit
historischen oder historisch nachempfundenen Ausstattungselementen, die im Sammlungskontext des damaligen Bauherren und Kunstsammlers Theo Matthéy anzusiedeln sind, eine besonderes Merkmal des Gebäudes. Dabei dient die z.T. moderne Architektur wie z.B. die neu errichtete Treppe im Vorderhaus oder die offenen Wohnraumstrukturen im Gartenhaus als Träger von Spolien. Zudem kommt ihnen im Zusammenhang mit dem erst in jüngerer Zeit erwachsenen wissenschaftlichen Interesse an der Verwendung von Spolien in der Nachkriegszeit sowohl im Städte- als auch im Hausbau - insbesondere in Aachen - sowie der Rolle Matthéys für die städtischen Sammlungen eine weitere wissenschaftliche Bedeutung zu. Der gesellschaftliche Status der Erbauer und die Gestaltungsansprüche des letzten, namensgebenden Besitzers Theo Matthéy sind anhand des Gebäudes und der erhaltenen Strukturen bzw. Ausstattungselemente nachvollziehbar. Das Gebäude dient mit Teilen seiner Ausstattung der Wissenschaft als wichtige Quelle für die Architekturentwicklung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sowie als Zeugnis der für die Stadt bedeutenden Sammlerpersönlichkeit Theo Matthéy.
Städtebauliche Gründe:
Das Gebäude Theaterstraße 67 ist aufgrund seiner breiten, klassizistisch geprägten Putzfassade in fünf Achsen mit Tordurchfahrt im Straßenraum als großzügiges Wohnhaus prägnant. In seiner Nachbarschaft bzw. an der Theaterstraße haben sich mehrere denkmalgeschützte, repräsentative Häuser des 19. und frühen 20. Jh. erhalten. Dabei handelt es sich zum großen Teil um repräsentative Wohn- und Geschäftsbauten mit klassizistisch oder historistisch gestalteten Fassaden, z.T. mit Tordurchfahrt. Das Haus ist in diesem Kontext ein unverzichtbarer Bestandteil der historischen Bebauung und Bedeutung der Theaterstraße als gründerzeitliche Prachtstraße. Die erhaltenen Bauten geben trotz der vor allem durch Kriegsschäden bedingten, modern geschlossenen Baulücken noch einen Eindruck des ursprünglichen Charakters der Theaterstraße mit Häusern wohlhabender Bürger und später vor allem Bank- und Geschäftshäusern. Die historischen Gebäude an der Theaterstraße stellen somit einen
wichtigen und unverzichtbaren Bestandteil der historischen Bebauung und städtebaulichen Entwicklung dar.
Die Voraussetzungen des § 2 Denkmalschutzgesetz Nordrhein-Westfalen für die Eintragung in die Liste der
geschützten Denkmäler sind daher erfüllt. |
Schutzumfang | Fassaden und Kubatur des Vorderhauses mit Tordurchfahrt, im Innern Keller, Erschließung
mit Flur EG und Treppenhaus der 1960er Jahre mit Geländer und (Neo-)Rokoko-Türen,
Fassaden und Kubatur hofseitiger Anbau; Fassaden und Kubatur des ?Gartenhauess?, im
Innern EG-Wohnraum mit fest eingebauter hist. Ausstattung aus der Sammlung Theo
Matthéy, Treppe, zwei Bleiglasfenster; Mauer mit Ziergitter und Tor zum Garten.
? Siehe Lageplan, der Bestandteil der Eintragung ist ? |