Ehem. Sendgericht und Geschäftshaus (Teile)
Denkmalnummer 05334002 A 00211
Adresse Münsterplatz 2
Koordinaten 294473 5628831
Eintragung 08.07.1982
Denkmalart Baudenkmal
Kataster Flurstück: Gem.: Aachen Flur: 83 Flurst.: 1928
Merkmale Hinterer Gebäudeteil errichtet im 17. Jh., zweigeschossiges Backsteingebäude, repräsentative Fassade zum Münsterplatz mit Backsteinmauerwerk und Blausteingewänden, ehem. Quer- und Kreuzstockfenster sowie korbbogige Tür (z.T. zugesetzt) im EG, Sockel aus Blausteinquadern, zwischen den Geschossen Wappensteinrelief mit dem Stadtadler und der Jahreszahl 1683, vermutlich nicht in situ. 1967 ersetztes Satteldach mit Hohlziegeldeckung und vier straßenseitigen Einzelgauben; das Gebäude 1967 überarbeitet und im Innern vollständig erneuert (Architekt L. Hugot); die weitgehend geschlossene rückseitige Backsteinfassade zum Hof Ursulinerstraße 1 z.T. verändert. Zum Münsterplatz vorgelagert eingeschossiges Geschäftshaus in Backsteinmauerwerk mit Flachdach als Ersatzbau für ein kriegszerstörtes Gebäude; eingebaut translozierte Blaustein-Elemente (Sockel, Türrahmungen und Barocktür, Gesimse, Justitia-Relief).
Begründung Das Objekt Münsterplatz 2 ist bedeutend für die Geschichte der Menschen, für Städte und Siedlungen. Für seine Erhaltung und Nutzung liegen wissenschaftliche und städtebauliche Gründe vor. Bedeutung für die Geschichte des Menschen: Das Gebäude Münsterplatz 2 war Sitz des Sendgerichtes in Aachen, dessen Funktion und Bedeutung unter 2. Zeitlicher Kontext dargelegt wurden. Der Ort war bis zur Säkularisation von herausragender Bedeutung für die Stadtgesellschaft. Die Erinnerung an diese Funktion ist heute einzig durch das erhaltene Bauwerk gegeben, da die Sendgerichte nach 1815 nicht erneut eingerichtet wurden. Das Gebäude ist Teil der Altstadtgestaltung am Münsterplatz im Nahfeld des Domes nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Kriegszerstörung des Vorgängergebäudes ist ein Grund für die Entstehung dieses Gebäudes. Die in den 1930ern begonnene Stadtsanierung, die Kriegszerstörung und die Verkehrswegeplanung durch die städtische Neuordnung führten zum Abbruch der Häuser Peterstraße 44-46 und Mühlradstraße 6, von denen Teile in die Fassade Münsterplatz 2 integriert wurden. Das heutige Gebäude bedeutet baulich einen wesentlichen Lückenschluss der Bebauung am Münsterplatz und steht damit sinnbildlich für die Wiederaufbauphase im Stadtkern. Die neue Nutzung des Platzes als innerstädtische Aufenthaltsfläche und Ruhebereich gegenüber den projektierten Verkehrszonen bildet zudem die geänderten Lebensverhältnisse der Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ab. Die Gestaltung der wichtigen Stelle mit Teilen einer historischen Fassade ist Ausdruck eines bürgerlichen Anspruchs auf eine Gestaltung mit traditionellen Mitteln, wie sie im Altstadtbereich prägend ist. Im Fall Münsterplatz 2 ist dieser Anspruch durch die beiden Publikationen des Bauherrn eindeutig belegt, ebenso durch den Aachener Denkmalpfleger Hans Königs: "Der zerstörte Straßenflügel wird um 1950 durch einen erdgeschossigen Ladenbau ersetzt, Haustür und Schlußsteine zerstörter Aachener Bauten sind in nachahmenswerter Weise eingebaut." (Königs, Das Schicksal der profanen Denkmäler S.72.). Das Gebäude ist dadurch Ausdruck des zeitgenössischen Diskurses um den Wiederaufbau der Innenstädte und den Umgang mit verbliebener Altbausubstanz. Das Gebäude ist durch die Aufhebung der früheren Nutzung und die heutige Aufteilung von angestammter Nutzung durch die Pfarre St. Foillan (bzw. Franziska von Aachen) und Geschäftsraum für die Innenstadtsituation bedeutend. Es besteht durch Baujahr und Bauherrn eine enge Korrelation mit dem Gebäude Hühnermarkt 19. Beide wurden als Antiquitätengeschäft eingerichtet. Die Einrichtung eines Antiquitätenhandels in Zeiten schwacher Kaufkraft an dieser Stelle war auch ein symbolischer Schritt im Wiederaufbau. Zudem gab die Pfarrgemeinde St. Foillan einen Teil des Sendgerichtes zugunsten eines Geschäftes ab. Der vordere Bauteil spiegelt so die veränderten Lebensverhältnisse der Menschen. Bedeutung für Städte und Siedlungen: Die städtebauliche Situation am Münsterplatz hat mit Dom, St. Foillan und dem früheren Elisabethspital, heute Sparkasse, mehrere sehr markante Großbauten als Dominanten. Münsterplatz 2 befindet sich am östlichen Rand des Platzes und grenzt unmittelbar an die Pfarrkirche St. Foillan an. Auf der anderen Seite befindet sich das Eckgebäude Münsterplatz 3. Es besteht eine enge bauliche Anbindung an Ursulinerstraße 1. Der Altbauteil ist vom Münsterplatz aus nur teilweise sichtbar. Neubauteil: Die Gebäude mit Altfassaden an Krämerstraße, Hof und Hühnermarkt tragen wesentlich zum heutigen Stadtbild bei, weil sie wichtige städtebauliche Positionen einnehmen. Münsterplatz 2 hat eine untergeordnete städtebauliche Funktion, steht aufgrund seiner Bauzeit jedoch mit den anderen Altfassaden in engem Zusammenhang. Entstanden ist am Münsterplatz 2 ein eigenwilliger Bau nach "Alt-Aachener-Art". Das Gebäude ist im Gesamten ein Arrangement. Es bestand keine Absicht eine originalgetreue Überlieferung zu schaffen, sondern ein Alt-Aachener Gebäude als Wiederaufbaubeitrag im Altstadtkern zu positionieren. Die Sammlungs- und Geschäftstätigkeit des Bauherrn war ausschlaggebend. Es wurden Fassadenteile und Schlusssteine verschiedener Herkunft verwendet. Schon das frühere Sendgericht hatte im vorderen Bauteil eine zurückhaltende Ausführung erhalten. Der Neubauteil übernahm diesen Grundgedanken unter Ausrichtung auf die Geschäftsnutzung. Die Fassadengliederung ist vollständig auf die Geschäftsnutzung ausgerichtet. Ein kritischer Vergleich zu den Herkunftsgebäuden des Materials ist nicht nötig. Es bestand keine Absicht eine alte Fassade wiederherzustellen, sondern einen dem Ort angepassten Baukörper mit bildverträglichem Baumaterial zu schaffen. Das Sendgericht am Münsterplatz war kein identitätsstiftendes historisches Gebäude, das eine originalgetreue Rekonstruktion wie zum Beispiel beim Postwagen oder in ähnlicher Weise bei dem naheliegenden Denkmal Krämerstraße 29 unabdingbar machte. Von Rekonstruktion der Altfassade kann man hier nicht sprechen. Die Bauweise aber, Backstein mit Blaustein, war das, worauf sich die Stadtverwaltung in der Altstadt konzentrierte und was der Altfassade im Kontext der Altstadt Bedeutung gab. Der Platz wird durch die Nutzung der traditionellen Aachener Baustoffe Blaustein und Ziegel im Gebäude vereinheitlicht. Der gesamte Baukörper wirkt mit der materialgerechten Staffelung der beiden Bauteile sogar harmonisch auf den Betrachter, das Bild ist jetzt ein anderes als in der Vorkriegszeit, wo der vordere Bauteil sehr geschlossen wirkte. Im Material und der Formensprache erkannten die Planer Heimat und Identität, die hier bewahrt bleiben sollten. Durch den Einsatz dieses Materials entstand ein Wiederaufbau dieses Heimatgefühls, wie der Geschichtsverein es 1949 bei der ausführlichen Diskussion um das Haus Krämerstraße 29 forderte. Viele moderne Architekturen in der Stadt nahmen dieses Materialspiel auf und ersetzen die Gliederungselemente aus Naturstein durch solche aus Beton. Münsterplatz 2 wurde ganz bewusst nach alter Tradition aber nur als Reminiszenz an das Vorgängergebäude errichtet. Ferner liegen für Erhalt und Nutzung vor: Wissenschaftliche Gründe (architekturgeschichtliche Gründe): Der Altbauteil bewahrt in seinem Erdgeschoss eine architektonische Gestaltung und eine Konstruktionstechnik aus dem 17. Jahrhundert. Mit dem Baujahr 1683 handelt es sich um ein Gebäude aus der Zeit nach dem Stadtbrand von 1656. Spätere Veränderungen zeigen die bauliche Entwicklung der Aachener Fassaden im 18. Jahrhundert. Gebäude mit originaler Fügung und Substanz dieser Art sind in Aachen durch Umbauten und Zerstörungen sehr selten geworden. Dagegen ist der Neubauteil in seiner Fassade eine Neuschöpfung des 20. Jahrhunderts unter Einsatz von Elementen anderer Gebäude. Der Bauherr Hubert Lüttgens schuf durch dieses Gebäude und Hühnermarkt 19 den Auftakt zu den weiteren Neubauten mit Altmaterial im inneren Stadtkern. Ergänzungen und Veränderungen an bestehenden Gebäuden mit Material von anderen hatte es dort zwar bereits vorher gegeben. Allerdings ist dieses Gebäude im Altstadtkern sehr bildprägend und fügt sich gut ein. Die Aachener Innenstadt weist die größte bekannte Anzahl an translozierten Fassaden der Nachkriegszeit in Deutschland auf. Translozierungen waren zwischen 1950 und 1980 ein übliches Mittel der Stadtgestaltung im Wiederaufbau und während der Stadtsanierungen. Erst danach sah man von der Übernahme von Altbausubstanz an Neubauten ab. Insofern handelt es sich um ein Beispielgebäude für eine stadtplanerische und denkmalpflegerische Haltung einer abgeschlossenen Periode. Es ist der Ausdruck des Festhaltens an der regional verankerten Bautradition und Formensprache in Zeiten starken Wachstums und raumgreifender Veränderung der Innenstädte. Um der Besonderheit dieser Stadtplanung in Aachen Rechnung zu tragen, ist die Erhaltung der solcher Art errichteten Gebäude mit Altfassade für die Geschichte der Stadtplanung nach 1945 in dieser Stadt von großer Bedeutung. Die Altgebäude wären nach heutigen Maßstäben schutzwürdig. Der Denkmalwert der translozierten Bauten hat sich durch die bewusste Entscheidung für eine Rettung wenigstens der Substanz verfestigt. Es ist heute nicht auf Anhieb zu erkennen, dass es sich um einen Neubau der 1950er handelt.Der Baukörper füllt die Lücke des kriegszerstörten Vorgängers. Mit den teilweise vom Ursprungsbau stammenden Elementen und den ergänzenden Teilen anderer Bauten ist hier von einem Arrangement zu sprechen. Die Erhaltung des älteren Teils Gebäudes in Fassade, Dachform und Kubatur ist für die Nachvollziehbarkeit der stadtgeschichtlichen Bedeutung des Sendgerichts, der Bautechnik des 17. Jahrhunderts wesentlich. Die Erhaltung der straßenseitigen Fassade des neueren Gebäudeteils ist für den frühen Wiederaufbau am Münsterplatz und zur Erhaltung des Gestaltungsgedankens der Altstadt insgesamt wesentlich. Städtebauliche Gründe: Das Gebäude liegt im Denkmalbereich Aachen Innenstadt. Es liegt im Kernbereich der Altstadt. Seine Architektur ist zwar aus privater Initiative, aber bewusst zur Vervollständigung des städtebaulichen Gesamtbildes gewählt worden. Es ist Teil des Wiederaufbaus und als Lückenschluss im Altstadtkern ein Zeugnis für die Stadtgeschichte Aachens, insbesondere für den Wiederaufbau in der Folge der Kriegszerstörungen des Zweiten Weltkrieges. Die straßenseitige Fassade Münsterplatz 2 diente zur Vervollständigung des Platzes als Altstadtbereich. Gemeinsam mit dem hinteren Bauteil gehört es zur bewusst gestalteten Altstadt. Hier, wie auch an anderen späteren Gebäuden, erfolgte ein Arrangement der translozierten Teile zu einem neuen Baukörper, das den Denkmalwert insgesamt nicht beeinträchtigt. Entscheidend für die Wertung als Translozierung, damit bereits als frühere denkmalpflegerische Maßnahme, ist die bewusste Entscheidung ein Gebäude durch Einlagerung seiner wesentlichen Elemente an die Nachwelt überliefern zu wollen - mit der Einschränkung das die Motivation hier von privater Seite, bei späteren Bauten aber von offizieller Seite ausging. Bei der Bereitstellung des Materials war das Hochbauamt der Stadt Aachen federführend beteiligt. Von dem Ursprungsgebäude Peterstraße 44-46 waren nur Einzelelemente vorhanden, da es 1943/44 vollständig zerstört wurde. Es war bereits 1938 zur Translozierung durch alle Instanzen der damaligen Denkmalpflege vorgesehen. Eine Verwendung der Elemente im Altstadtbereich war daher folgerichtig. Die Fassadenreste aus der Peterstraße, die Schlusssteine, die Haustür aus der Mühlradstraße und die weiteren Teile wie Gesims und Sockel sind jetzt ein elementarer Bestandteil des Altstadtbildes. Der Baukörper ist flach und der hintere Bauteil gestaffelt sichtbar. Diese Wirkung war beabsichtigt, sie entspricht der früheren Wahrnehmung der Bauteile vor der Kriegszerstörung. In seiner zurückhaltenden Gesamtwirkung ist das Gebäude für die städtebauliche Einfassung des Altstadtplatzes wichtig. Es trägt wesentlich zur Altstadtatmosphäre bei und erfüllt so den gedachten Zweck, selbst nach der Geschäftsaufgabe des Antiquitätenhandels. Zur Erhaltung des Gesamtcharakters der Bebauung am Münsterplatz und der Ursulinerstraße und insbesondere zum Erhalt der Maßstäblichkeit neben den bereits bestehenden Denkmälern, St. Foillan, Dom Ursulinerstraße 1 und Krämerstraße 29 und den weiteren Denkmälern im Umfeld, ist die Erhaltung dieses Gebäudes mit seinen beiden Bauteilen und der auf die örtlichen Verhältnisse angepassten Fassade vor Ort besonders wichtig. Die Voraussetzungen des § 2 Denkmalschutzgesetz Nordrhein-Westfalen für die Eintragung in die Liste der geschützten Denkmäler sind daher erfüllt.
Schutzumfang Der hintere zweigeschossige Gebäudeteil vollumfänglich als Denkmal des 17. Jahrhunderts mit Ergänzungen des 20. Jh.; die straßenseitige Fassade des vorderen, eingeschossigen Geschäftshauses als Denkmal der 1950er Jahre. - Siehe Lageplan, der Bestandteil der Eintragung ist -
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