Haus Hirtzpley
Denkmalnummer 05334002 A 03623
Adresse Eupener Straße 365
Koordinaten 294881 5624157
Eintragung 11.04.2018
Denkmalart Baudenkmal
Kataster Flurstück: Gem.: Aachen Flur: 78 Flurst.: 238
Merkmale Freistehendes, ein- bis zweigeschossiges Wohnhaus in unregelmäßigen Achsen, erbaut um 1906, Architekt Karl Henrici; Natursteinsockel mit umlaufendem Sockelgesims; nach Norden vorgelagerte Terrasse mit Freitreppe, Erdgeschoss weiß verputztes Backsteinmauerwerk gegliedert durch flache Friese; an Ostseite Eingang mit vorgelagerter Treppe und Vordach, dessen Stütze und Brüstung profiliert, zum Obergeschoss / Dach schiefergedecktes Kranzgesims auf Holzkonsolen; Giebel und Obergeschoss in gefasstem Fachwerk mit Andreaskreuzen, im Vollgeschoss weiße Gefachfüllungen mit Reliefprägung, vorkragender Ortgang auf profilierten Knaggen; das Gebäude mit weitgehend historischen Holzfenstern als Einzelfenster und Fenstergruppen, z.T. mit Segmentbogen, Ostseite mit Rundfenstern, im Erdgeschoss z.T. zweiflügelig mit Oberlicht, im Obergeschoss mit Sprossenteilung, vielfach hist. Beschläge und Treibriegel; nach Norden zwei jüngere Dachaufbauten in Fachwerk mit separatem Walm, Hauptbau mit Krüppelwalmdach, Südost-Teil mit erhöhtem Walmdach, Rechteck-Schieferdeckung. Innere Raumstruktur und wandfeste Ausstattung weitgehend erhalten: KG mit Backsteinkappen auf gemauerten Gurtbögen und Scheidwänden, Blausteintreppe zum EG im Treppenkasten, Erschließung des OG mit einfach gewendelter Holztreppe, Treppengeländer profiliert mit Anfänger und gedrechselten Geländerstäben, zentraler Flur mit Garderobennische, Gartensaal mit Stuckdecke und Kamin, Küche mit Kohle-Herd und Rauchschürze, Wasserpumpe sowie Wandfliesen Delfter Art; historischer Zementfliesenboden; in den Räumen z.T. Hohlkehlendecken; Erschließung Obergeschoss über zentralen Flur, Zugang kleines Schlafzimmer durch bauzeitl. Wandschrank; großes Schlafzimmer Giebelseite mit zwei Bettnischen in den Dachschrägen, z.T. mit Textiltapete, beide Schlafzimmer z.T. mit halbhoher hölzerner Wandvertäfelung; alle Räume im OG mit Dielenboden und Hohlkehlendecken. Nach Norden nachträglich veränderter Dachgeschossraum mit Balkon. Im Gebäude sämtliche Rahmenfüllungstüren mit Beschlägen und verzierten Zargen erhalten; Zargen, Fensterrahmungen und Wandschrank im einheitlichen Stil gestaltet. Speicherraum; Dachstuhl erhalten. Südwestlich abgerücktes eingeschossiges Gartenhaus in Bruchstein- und Mischmauerwerk auf rechteckigem Grundriss, Wiederaufbau 1961 unter Einbeziehung älterer Teile durch Julius Schulte-Frohlinde, Freitreppe auf Südseite, Westseite mit betont massivem Kamin, nach Osten drei gleiche Fenster, hier vorgelagerte Mauer und drei Säulen dorischer Art aus verputztem Backstein, auf das Bruchsteinmauerwerk aufgebrachte antikisierende Reliefs; Pultdach hinter Mauerkrone mit Ziegelabdeckung. Vom ehem. Waldpark die Wegeführung zu Wohn- und Gartenhaus, Sichtachse zur Wiese mit Teich im Nordosten und historische Bestandteile der Parkanlage, soweit sie sich authentisch erhalten haben.
Begründung Das Objekt ist bedeutend für die Geschichte der Menschen und für Städte und Siedlungen. Für seine Erhaltung und Nutzung liegen künstlerische und wissenschaftliche Gründe vor. Bedeutung für die Geschichte des Menschen und für Städte und Siedlungen: Die Baugruppe Hirtzpley kann als historistisches Landhaus mit Gartenpavillon und umgebendem Park angesprochen werden. Adelige und reiche Industrielle schufen sich bereits in der Frühen Neuzeit mit der Anlage von Sommersitzen oder Landhäusern einen repräsentativen Sitz oder einen Ort des privilegierten Rückzugs außerhalb der beengten Städte. Auch für Aachen sind solche Sitze außerhalb der Stadt, oft hervorgegangen aus älteren Wirtschaftsgütern oder Rittersitzen, bekannt (Bodenhof, Ürßfeld, Chorusberg usw.). Insbesondere im 19. Jahrhundert suchte man verstärkt malerische und romantische Orte zu schaffen, welche durch Landschaftsgärten und Waldparks naturähnlich umrahmt und durch Sichtachsen, Teiche, Bewuchswechsel und weitere Gartenarchitekturen inszeniert wurden. Auch die Landsitze selbst zeigten im Gegensatz zu den oft monumental-repräsentativen Stadtvillen und älteren ländlichen Gutshöfen bisweilen einen Charakter, der durch die Verwendung historisierender Elemente, Kleinteiligkeit, typische ländlicher Bauformen und einer detailreichen Formensprache an mittelalterliche und bäuerliche Ideale in einer romantischen Verklärung anzuknüpfen versuchte. Diese Entwicklung ist am Haus Hirtzpley nachvollziehbar und authentisch erhalten. Die überregional bedeutende Industriellenfamilie Hasenclever lässt hier um 1900, abseits der Stadt im Aachener Wald, einen Landsitz errichten, der sowohl in seiner Materialität sowie der detailreichen Gestaltung und Ausstattung historisierend und malerisch ist. Typisch ist hierzu auch die Einbettung in die hügelige Landschaft bzw. den Wald, welcher durch markante Einzelbäume, die Sichtachse zum nördlichen Quellteich und nicht zuletzt durch die Anlage eines antikisierend gestalteten Gartenpavillons zu einem abwechslungsreichen Landschaftsgarten ergänzt wird, in dem die Bewohner Entspannung und Zerstreuung suchen konnten. Ferner liegen für Erhalt und Nutzung vor: Künstlerische Gründe: Zwei überregional bedeutende Architekten haben an Wohn- und Gartenhaus mitgewirkt bzw. diese entscheidend geprägt. Die vorhandenen Unterlagen und die stilistische Einordnung lassen die Urheberschaft des Aachener Architekten Karl Henrici zumindest für das Wohnhaus und wahrscheinlich auch für den Vorgängerbau des Gartenhauses annehmen. Der Aachener Architekt und Geheime Regierungsrat Karl Henrici (*1842, +1927) studierte an der TH Hannover und war danach u.a. bei dem für Niedersachsen prägenden Architekten und Begründer der Hannoverschen Schule Conrad W. Hase tätig. Seine frühen Jahre in Niedersachsen und die Hannoversche Architekturschule prägten ihn u.a. hinsichtlich der Verbreitung der Backsteinarchitektur und der von ihm später verfolgten romantischen bzw. malerischen Architektur. Anklänge an die Backsteingotik finden sich entsprechend auch hier am Wohnhaus Hirtzpley. Er beschäftigte sich zudem seit den 1880er Jahren intensiv mit dem Städtebau der Zeit und propagierte einen ästhetischen, von künstlerischen Aspekten geprägten und individualisierten Städtebau. 1877 wurde er zum ordentlichen Professor an der TH Aachen ernannt wurde. Seine wissenschaftliche Beschäftigung mit Baugeschichte, Ornamentik, bürgerlicher und landwirtschaftlicher Baukunde lässt sich am historistischen Formenkanon des Hauses Hirtzpley par excellence ablesen. Diverse wissenschaftliche Veröffentlichungen, städtebauliche Entwürfe, Projekte in Niedersachsen, Hessen und dem Rheinland und der Bau mehrere Gebäude in Aachen machen ihn zu einem überregional bedeutenden Architekten und Stadtplaner der Zeit. Als weitere bedeutende Architektenpersönlichkeit war Julius Schulte-Frohlinde (*1894, +1968) für Umbaumaßnahmen oder zumindest Planungen an allen Gebäuden der Hirtzpley um 1961 verantwortlich. Von der damaligen Besitzerin wurde er wenige Jahre nach seinem offiziellen Ruhestand mit dem Umbau des Pächterhauses sowie dem Wiederaufbau des Gartenhauses beauftragt. Aufgrund der fehlenden Bauakte kann seine Beteiligung an Umbaumaßnahmen am Wohnhaus (Nordgiebel mit seitlich aufgesetzten Zwerchhäusern) nur angenommen werden. Der in Bremen geborene Julius Schulte-Frohlinde studierte in München und später in Stuttgart bei Paul Bonatz Architektur, bei dem er nach Abschluss seines Studiums als Assistent am Lehrstuhl sowie in dessen Privatbüro arbeitet. Schulte-Frohlinde gehörte zu den frühen Schülern der durch Bonatz und Paul Schmitthenner geprägten Stuttgarter Schule. Mitte der 1920er Jahre ist er in Köln tätig, bevor er 1929 als städtischer Baurat nach Nürnberg berufen wird. Hier kommt er über die Planung des Reichsparteitagsgeländes 1933 mit Albert Speer in Kontakt. Auf dessen Empfehlung nimmt Schulte-Frohlinde eine leitende Position bei der DAF (Deutsche Arbeitsfront) ein und u.a. am Bau von NS-Schulungsburgen verantwortlich sowie an den Planungen zum KdF-Seebad Prora auf Rügen beteiligt. Die konservative, traditionalistische Bauweise Schulte-Frohlindes prägte die Wohnungsbau-Architektur des "Dritten Reichs" in erheblichem Maße und stellt dadurch den wohl bedeutsamsten Einfluß der "Stuttgarter Schule" auf das Bauen im Nationalsozialismus dar.. 1943 wird Schulte-Frohlinde durch A. Hitler zum Professor an der TH München ernannt, verliert diese Position jedoch nach Kriegsende. Trotz seiner NS-Vergangenheit blieb er nach dem Krieg als Architekt erfolgreich. 1952 wird er nach Düsseldorf vermittelt und übernimmt hier die Leitung des Hochbauamtes, was aufgrund seiner Rolle während des NS-Regimes zum "Düsseldorfer Architektenstreit" führt. In Düsseldorf zeichnet Schulte-Frohlinde für die meisten öffentlichen Hochbauten verantwortlich und ist maßgeblich am Wiederaufbau des Opernhauses als auch am Altstadtrathaus beteiligt. Mit seinen traditionalistisch geprägten Bauten ist Julius Schulte-Frohlinde ein charakteristischer Vertreter für die konservative Weiterentwicklung von Reformtendenzen in der Architektur seit Beginn des 20. Jahrhunderts, ebenso wie für deren unselige Verflechtung mit politischen Tendenzen des Nationalsozialismus (Lubitz 2004). Im Erscheinungsbild seiner späten Bauten nähert sich Schulte-Frohlinde der Nachkriegsmoderne an, ohne aber seine konservative Grundhaltung aufzugeben. Dies zeigt der als Spätwerk zu bezeichnende Entwurf für das Gartenhaus Hirtzpley in aller Deutlichkeit. Der nicht genehmigte Entwurf von 1961 (Bauakte Stadt Aachen) zeigt ein zweigeschossiges Gebäude mit Satteldach, Sprossenfenstern, Holzverblendung an den Giebelseiten, Schlagläden und historisierende Ankereisen und erinnert insgesamt stark an Gebäude der Heimatschutzarchitektur. Auch der in geringerem Maße umgesetzte Wiederaufbau des älteren Gartenhauses und seine vermutete Urheberschaft beim Umbau des Wohnhauses zeigen durchaus traditionalistische Tendenzen. Wissenschaftliche, insbesondere architekturhistorische und gartengeschichtliche Gründe Das Haus Hirtzpley ist aufgrund seiner Architektur als typischer Bau des Historismus anzusehen. In dieser Zeit studierte man die Stile vergangener Epochen und kombinierte diese neu. Karl Henrici war ein wichtiger Vertreter und Verfechter des Malerischen in der Architektur und im Städtebau und war nicht zuletzt aufgrund seiner wissenschaftlichen Karriere mit dem Studium historischer Bauformen vertraut, welche er hier umfangreich anwandte. So finden sich mit Friesen, Segmentbögen und profilierten Gewänden mit Formsteinen im Erdgeschoss Formen der Backsteingotik. Giebel und Obergeschoss erhalten durch ihre Fachwerkstruktur einen starken Bezug zur frühneuzeitlichen und v.a. ländlichen Architektur. Zugleich wirkt das Fachwerkobergeschoss hier besonders leicht und filigran, womit trotz der relativen Größe des Hauses der Landhaus-Charakter gewahrt bleibt. Diverse Gesimse, Konsolen und Bauzier, z.B. in den Gefachen, runden das malerische und detailreiche Gesamtbild ab. Für die Bauaufgabe wählte Henrici verschiedenste Materialien, deren Massivität von unten nach oben abnimmt: grob zurecht geschlagener und unregelmäßig gesetzter Naturstein für den Sockel, Backstein für das Erdgeschoss, Fachwerk für das Obergeschoss. Die Dachfläche ist - für die Aachener Region typisch maasländisch geprägt - mit Rechteckschieferdeckung eingedeckt und aufgrund des Grundrisses und der unterschiedlichen Höhen der Bauteile unregelmäßig gestaffelt. Das Wohnhaus gibt darüber hinaus aufgrund seiner authentisch und nahezu vollständig erhaltenen Materialität, Konstruktion und Ausstattung die Wohnverhältnisse um 1900 wieder. Dazu gehören neben der Raumstruktur und Erschließung auch die Orientierung des Hauses zum Garten bzw. dem nördlich abfallen Gelände. Im Haus sind mit historischen Bodenbelägen, Hohlkehlen- und Stuckdecken sowie Holztreppe mit Geländer typische Ausstattungselemente erhalten. Die historischen Holzfenster und Rahmenfüllungstüren sind gut erhalten und zeigen die zeittypischen Beschläge. Türen, Zargen, hölzerne Fenstereinfassungen und Wandschrank weisen allesamt die gleiche aufwändige Gestaltung auf und lassen damit eine Planung aus einer Hand erkennen. Ein besonders authentisches Bild der historischen Nutzung bietet die Küche, in der sich mit Schwengelpumpe, Kohle-Herd, Rauchschürze und Zementfliesenboden sowie einer Wandverkleidung mit Fliesen nach Delfter Art die Ausstattung sehr vollständig erhalten hat. Interessanterweise beinhaltet das Gebäude nicht die für den Haushalt eines vermögenden Industriellen zu erwartenden Räume und Kammern für Personal, was wohl auch dem Charakter des Hauses als Rückzugsort bzw. Landsitz geschuldet ist. Das Gartenhaus ist abgesehen von der Beteiligung des Architekten Schulte-Frohlinde bemerkenswert, da es dem Typus des romantisch geprägten Gartenhauses weiterverfolgt. Insbesondere im 19. Jahrhundert wurden nach Vorbild der adeligen Gärten auch in bürgerlichen Parkanlagen gerne Pavillons, künstliche Ruinen und malerische Gartenhäuser errichtet. Dabei zitierte man auch gerne die Architektur anderer Länder oder bezog sich auf antike Ruinen im Sinne eines romantischen Zeitgeistes. Möglicherweise dienten die Ende des 19. Jahrhunderts in privaten Parkanlagen errichteten Pavillons im Schillingspark von Düren-Gürzenich oder der sog. Karlsburg in Langerwehe als Vorbild. Auch hier wurde mit Bruchstein- oder Mischmauerwerl nach historischem Vorbild gearbeitet und Spolien eingesetzt oder nachgeahmt. Der Planung von 1961 ist zu entnehmen, dass das heutige Gartenhaus Hirtzpley auf der Vorgängerarchitektur aufbaut und wesentliche Teile übernimmt. Dazu gehört neben der malerischen Alleinlage im Wald die Grundform, die Materialität in grob zurecht geschlagenem Bruchstein sowie die Anlage antikisierender Säulen und die Anbringung von "Spolien" auf den Wänden - in diesem Fall aber wohl eher Abgüsse oder Nachahmungen historischer Vorbilder. Die die Beschreibung des Architekten 1961 zeigt die Wertschätzung, die man dem "[?] Gebäude in der Nachahmung eines italienischen Hauses [?]" entgegenbrachte. Dieser Charakter wird durch die Aufmauerung der Bruchsteinwände und des massiven Kamins erhalten, neue Fensteröffnungen werden in den Bestand angepasst. Das neue Pultdach wird auf drei Seiten von den Außenmauern überragt und ist somit nur bedingt wahrnehmbar. Zugleich passt der weitgehende Erhalt des romantischen Charakters und der Materialität des Gebäudes als Spätwerk in das konservativ geprägte Architekturverständnis Schulte-Frohlindes. Die Gebäude dienen zudem für die Erforschung der beiden Architektenbiografien Henricis und Schulte-Frohlindes und deren OEuvre als wichtige Quelle. Die Beteiligung Schulte-Frohlindes an diesem Bau war bisher völlig unbekannt und stellt den ersten Nachweis seines Wirkens in Aachen überhaupt dar. Auch wenn die letztlich umgesetzten Umbaumaßnahmen recht gering sind, so ist doch sein Umgang mit dem Bestand und sein noch zu ergründender Kontakt zur damaligen Besitzerin des Hauses von wissenschaftlichem Interesse. Die Voraussetzungen des § 2 Denkmalschutzgesetz Nordrhein-Westfalen für die Eintragung in die Liste der geschützten Denkmäler sind daher erfüllt.
Schutzumfang Freistehendes Wohnhaus vollumfänglich mit wandfester Ausstattung; südwestlich gelegenes Gartenhaus, Teile des ehem. Waldparks.
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