Bunker Südstraße
Denkmalnummer 05334002 A 03613
Adresse Südstraße o.nr.
Koordinaten 294159 5628007
Eintragung 17.09.2018
Denkmalart Baudenkmal
Kataster Flurstück: Gem.: Aachen Flur: 73 Flurst.: 1214
Merkmale Hochbunker auf ca. 40 x 18 m rechteckiger Grundfläche, Stahlbetonbau, außen schalungsrauh betonsichtig; vier Geschosse (drei oberirdisch, eines unterirdisch), mit flacher Decke nach oben abgeschlossen; ursprünglich drei Zugänge. Als Teil (LS-Bau Nr. 13) des Anfang 1941 begonnenen Luftschutzbunker-Bauprogramms in den Jahren 1941/42-43 in einem innerstädtischen Wohngebiet nahe des Hauptbahnhofes errichtet und ohne vollständige Fertigstellung in Benutzung genommen. Gegen Kriegsende u.a. Ausweich-Lazarett, in der Nachkriegszeit Notunterkunft und später Lagernutzung. Der Bunker ist, von der Straße etwas abgerückt, quer in den Blockinnenbereich hineingebaut. Die vor ihm stehende, straßenbegleitende Bebauung aus dem Jahr 1952 umgreift auf ihrer Rückseite den Bunker, der wie ein Hinterhaus in sie hineingescho-ben erscheint. Die Eingänge, je einer im östlichen, von der Straße aus erreichbaren Teil der beiden Längsseiten sowie einer an der westlichen Stirnseite im Innenhof, mit eingeschossigen Splittersschutzvorbauten; am Außenbau insgesamt zahlreiche Beschädigungen, Einschläge, Abplatzungen etc., die wohl noch auf Beschuss während der Kämpfe gegen Kriegsende zurückgehen. Die Geschossdecken mit Lüftungsöffnungen leicht vorstehend deutlich erkennbar, prägend ferner die über eng gestellten Konsolen vorkragende Abschlussdecke, mit einem Aufbau an der westlichen Stirnseite (mit Steigleiter darunter) und einem Schornstein für die Heizung an der Südseite. Die Eingangssituationen mit Gasschleuse (verwinkelte Zugänge) und Schutztüren noch weitgehend erhalten. Zwei Treppenhäuser (zweiläufig mit Wendepodest) jeweils an den Stirnseiten. Das Erdgeschoss räumlich kleinteilig, mit zwei Längsfluren (mit Steinplattenbelag) zwischen den beiden Treppenhäusern, die dreizonig (jeweils entlang den Außenwänden und mittig) angeordnete Einzelräume erschließen. Diese zellenartige Struktur in den Obergeschossen zugunsten größerer, lediglich durch Stützpfeiler unterteilter Raumeinheiten aufgegeben, wohl aus Material- und Zeitmangel während des Krieges. Zahlreiche Details wie Nummerierungen über Zelleneingängen, Parolen bzw. Sprüche sowie tapetenartige ornamentale und gegenständliche Wandmalereien (Schablonen) mit Motiven aus Aachen erhalten, z.T. sogar da-tiert ("Fugur 48"), aus der Nutzung als Notunterkunft in den Nachkriegsjahren. Von der technischen Ausstattung Lüftungsöffnungen/-klappen, Reste der Filteranlage und die Druckluftheizung (Firma Theodor Mahr, Aachen) erhalten, ebenso einige Toilettenverschläge. - Siehe Gutachten des LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland vom 20.07.2018 -
Begründung Der Hochbunker Südstraße ist bedeutend für die Geschichte des Menschen und für Städte und Siedlungen. An seiner Erhaltung und Nutzung besteht aus wissenschaft-lichen und städtebaulichen Gründen ein öffentliches Interesse. Bedeutung für die Geschichte des Menschen und Städte und Siedlungen: Die auf einheitlicher Grundlage ausgeführten Luftschutz-Hochbunker sind originäre Bauzeugnisse des Zweiten Weltkriegs und des nationalsozialistischen Regimes. Als solche sind sie äußerst zeittypische Bauwerke, in denen sich die geschichtlichen Umstände und Bedingungen ihrer Entstehung in hohem Maße widerspiegeln. "Besonders eine Gruppe von baulichen Relikten ist eng mit dem Bombenkrieg und dem Kriegsalltag an der ?Heimatfront?, aber auch mit der frühen Nachkriegszeit und dem ?Kalten Krieg? verbunden: die Bunker- und Stollenanlagen des Luftschutzes. Die in den Städten im Rheinland und in Westfalen in größerer Zahl erhalten gebliebenen Hochbunker haben sich vielfach längst zu Orten der Erinnerung entwickelt. (?) Wie kaum andere bauliche Überreste aus nationalsozialistischer Zeit im öffentlichen Raum enthalten die Hochbunker viele inhaltliche Deutungsmöglichkeiten. Seit der ?Wirtschaftswunderzeit? und vielfach noch heute werden sie im Stadtbild als störende Schandflecke empfunden. Vielfach erinnerte ihre verstörende Bunkerarchitektur und provozierende Präsenz inmitten der wiederaufgebauten Stadt die Nachkriegsgesellschaft allzu sehr an das ?Dritte Reich? und den Zweiten Weltkrieg. (?) Die Bunker und Luftschutzstollen sind in den Städten die einzigen Monumente der ?Heimatfront? und des Nationalsozialismus, die nach Krieg, Zerstörung und Wiederaufbau bis in die Gegenwart oft nahezu unverändert überliefert sind" [Blank, Ruhrschlacht, S. 241]. Als Teil des reichsweiten Luftschutzbau-Programms nach 1940 ist der Bunker Südstraße mithin ein Zeugnis der politischen Verhältnisse und alltäglichen Lebensumstände des Zweiten Weltkrieges und außerdem, aufgrund der erhaltenen Spuren dieser Nutzung, auch der Notjahre der Nachkriegszeit. Leben und Überleben vieler Menschen sind mit seiner Existenz verbunden - sowohl derjenigen, die hier Schutz vor den Luftangriffen oder ein Obdach gefunden haben, als auch der Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter, die in der Regel für den Luftschutzbau herangezogen wurden. Es handelt sich daher um ein öffentliches Gemeinschaftsbauwerk von großer historischer Bedeutung. Der Bunker Südstraße ist außerdem ein anschauliches Zeugnis der Geschichte Aachens im Zweiten Weltkrieg und in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Die Aufnahme Aachens in das reichsweite Luftschutzbau-Programm ab 1940 doku-mentiert die Bedeutung der Stadt in strategischer und industrieller Hinsicht. Hinzu kam natürlich die exponierte Lage im Westen, die Aachen für Luftangriffe leicht erreichbar machte und wo der Krieg 1944 schließlich mit dem sprichwörtlichen "Kampf um Aachen" auch im Stadtraum selbst ausgetragen wurde. In Aachen wurde im Januar 1941 im Rahmen des reichsweiten "Führer-Sofortprogramms" mit den Ausschachtungsarbeiten für Hoch- und Tiefbunker begonnen. Eine durch das städtische Luftschutz-Bauamt aufgestellte Baustellen-Liste vom Oktober 1941 nennt 13 Hoch- und 3 Tiefbunker / Stollen. Einige weitere Bunker kamen später noch hinzu; insgesamt sind für das Stadtgebiet 16 Hochbunker anzunehmen. Ihre Fertigstellung dauerte aufgrund Material- und Arbeitskräftemangels generell lange und verlief hinsichtlich Durchbildungsgrad unterschiedlich. Die Bauarbeiten wurden im Auftrag des städtischen Luftschutz-Bauamtes durch die bekannten örtlichen Baufirmen durchgeführt, die dafür überwiegend Zwangsarbeiter einsetzten. Der Bunker Südstraße trägt die laufende Nummer 13 der Liste vom Oktober 1941; da noch keine Firma genannt ist bzw. keine Zwangsarbeiter-Anforderung erfolgt, dürfte er hinsichtlich der Betonarbeiten damals noch nicht in Bau gewesen sein. Bauarbeiten sind für den Zeitraum April 1942 bis Februar 1943 belegt. Am Bau heute noch erkennbar sind die heftigen Angriffe aus der Luft und dann auch am Boden, die Aachen 1943/44 trafen. "Nach Augenzeugenberichten soll der Bunker von einer Bombe schwer getroffen worden sein (1943?), wodurch die westliche Rückwand auf einer Fläche von etwa fünf Mal fünf Meter schwer eingedrückt wurde und innen Ziegelmauern umfielen. (?) Die Mauer wurde provisorisch mit einer sandgefüllten Holzschalung wiederhergestellt. Bei dem großen Luftangriff auf Aachen am 11. April 1944 gerieten die erst während des Krieges auf der freien Fläche erbauten provisorischen Holzbauten (Baracken) in Brand, wodurch die Flieger den Bunker leicht erkennen konnten. Dies führte zum verstärkten Bombardement der Südstraße, die ohnehin wegen der Nähe zum Bahnhof stark gefährdet war. In den letzten Kriegstagen war der Koloss noch so intakt, dass die Städtischen Krankenanstalten von der Goethestraße ein Lazarett im Bunker einrichten konnten. Im ersten Nachkriegsjahr wurden in seiner Nähe Tote unbekannter Herkunft exhumiert und ordnungsgemäß bestattet." [Die Südstraße und das Reumont-Viertel, S. 82f.] Eine weitere ortsgeschichtlich bedeutende Zeitschicht, die viel über die Lebensum-stände in der Stadt aussagt, ist die Nutzung des Bunkers als Notunterkunft in den Nachkriegsjahren, von der im Inneren noch viele Spuren erhalten sind. "Als Notunterkunft hat er noch einige Jahre gedient, vor allem als Notquartier für rückkehrende Aachener, deren Wohnungen anderweitig belegt waren (1.549 Personen waren 1948 in den 18 Bunkern untergebracht!). Später diente er bis ins Jahr 1950 noch als so genannter Übernachtungsbunker für Obdachlose. Danach benutzte die Fa. Kalde den leerstehenden Bunker als Materiallager. Anschließend stand er leer." [Die Südstraße und das Reumont-Viertel, S. 82f.] Aufgrund dieses hohen Nutzungsdrucks in der Nachkriegszeit entging der Bunker wohl auch der "Entfestigung" (Fenstereinbrüche etc.), was die Lebensverhältnisse im Bunker aber umso schlimmer gemacht haben wird. Wissenschaftliche Gründe für die Erhaltung und Nutzung: Der Hochbunker Südstraße ist ein in seinen wesentlichen charakteristischen Merkmalen gut und anschaulich erhaltenes Beispiel der Baugattung "Luftschutz-Bunker" aus dem Zweiten Weltkrieg. Zu dieser Baugattung, insbesondere Hochbunkern, existiert eine umfangreiche wissenschaftliche Literatur und Forschung, die sich bis in Details mit den baulichen und bautechnischen Aspekten dieser Bauwerke auseinandersetzt (s. Literaturverzeichnis). Auch wenn hier häufig von Typenbauten die Rede ist, kann bei genauerer Betrachtung eine im Detail große Vielfalt von Ausführungen festgestellt werden. Eine bemerkenswerte Besonderheit des Bunkers Südstraße ist u.a. seine individuelle Integration als eine Art "Hinterhaus" in die Blockrandbebauung (zur Bauzeit zur Straße hin allerdings offen), was sicher auch Tarnungszwecken diente; andere, ursprünglich vorgesehene camouflierende Elemente wie Natursteinverkleidung (möglich, aber hier nicht belegt) oder ein Steildach wurden nicht mehr verwirklicht, was wiederum typisch für einen erst spät oder gar nicht fertig gebauten Bunker ist. Der Bunker Südstraße ist geeignet, bauliche und zeithistorische Erkenntnisse für diese wissenschaftliche Forschung zu liefern, denn seine charakteristischen funktionalen Merkmale (Bauform, Größe, Material, Materialstärken und Konstruktion, Grundriss und Raumverteilung etc.) sind substanziell erhalten oder leicht und anschaulich erschließbar. Der Bunker Südstraße zählt zu den mittelgroßen Hochbunkern in Aachen (eine exakte Platzzahl ist nicht überliefert, wobei diese unter Ernstfallbedingungen ohnehin nur theoretischer Natur sind). Er war zwar bereits zu Beginn des lokalen Bauprogramms vorgesehen, wurde aber nicht in der "ersten Welle" von Bunkern fertiggestellt, sondern in der Hauptsache erst 1942/43. Anhand der erhaltenen Heizungspläne von 1942 ist ersichtlich, dass zwar alle Schutzraum-Geschosse aufgeführt werden konnten, jedoch das geplante, ohnehin nur Tarn- bzw. Einfügungszwecken dienende, jedoch nicht bombensichere Steildach nicht mehr; auch der nach oben hin sparsamer werdende Innenausbau dürfte Mangel und Notwendigkeiten der Kriegsjahre geschuldet sein. Zum Hochbunker-Bau in Aachen liegt derzeit noch keine zusammenfassende bauhistorische Dokumentation vor. Grundlegende Erkenntnisse wurden im Rahmen der Begutachtung der seinerzeit im Bundesbesitz befindlichen Hochbunker durch die Bezirksregierung Köln um 2005 zusammengetragen. Ein wichtiger ortsspezifischer geschichtlicher Aspekt ist Rolle und Bedeutung der Bunker im "Kampf um Aachen" am Ende des Zweiten Weltkriegs, als die Stadt unmittelbar Kriegsschauplatz war. Hier ist auch auf die intensive öffentliche Diskussion um den Abriss eines Bunkers im Lousbergviertel um 2015 hinzuweisen, die diesen Aspekt besonders herausstellte. Sehr hoch ist die Bedeutung der Hochbunker auch für die lokale und darüber hinaus gehende Zwangsarbeiterforschung, wie eine 2002 vom Stadtarchiv Aachen erarbeitete Dokumentation beispielhaft zeigt; auch für den Bunker Südstraße ist von einem Zwangsarbeitereinsatz auszugehen [vgl. Die Südstraße und das Reumont-Viertel, S. 82]. Eine große Rolle spielt der Bunker schließlich in der zeitgeschichtlichen Erinnerungsliteratur wegen seiner Sonderfunktion als "Notkrankenhaus" nach Übersiedlung einer Sanitätseinheit aus dem Bunker Saarstraße im September 1944 und als Notunterkunft nach dem Krieg. Nach mehreren Abrissen sind aktuell noch 11 ehem. Hochbunker in Aachen erhalten. Über ihren baulichen Denkmalwert hinaus stellen die verbliebenen Exemplare allein aufgrund ihres Erscheinungsbildes historische Zeugnisse von großer Präsenz und Prägnanz dar. Der Bunker Südstraße besitzt zudem eine vielschichtige, in der Ortsliteratur bereits präsente individuelle Geschichte und ist daher sehr geeignet, der Forschung als Dokument und Anschauungsobjekt zu dienen. Es liegen somit architektur- und ortsgeschichtlich fundierte wissenschaftliche Gründe für Erhaltung und Nutzung des Bunkers vor. Städtebauliche Gründe für die Erhaltung und Nutzung: Der Blockinnenbereich hinter Südstraße, Reumontstraße etc. besitzt seit langem, auch schon zur Bauzeit des Bunkers und bis heute eine öffentliche Dimension; verwiesen sei stellvertretend auf die ehemals hier ansässigen Werkschulen oder den Tattersall / Reitplatz, bis hin zu den heute dort befindlichen Schulgebäuden. Auch die Anordnung des Bunkers quasi als typisches "Hinterhaus" hinter der straßenseitigen Bebauung (die endgültig erst 1952 errichtet und sorgfältig an den existierenden Bunker angeschlossen wurde) ist daher, neben seiner geschichtlichen Aussage, von stadträumlicher Bedeutung - der Bunker entfaltet im Blockinnenbereich städtebauliche Wirkung, wenn auch nicht im Sinne einer ungestörten harmonischen Einheitlich-keit, sondern als eine räumliche Situation, die eindringlich auch die Brüche der Zeitgeschichte anschaulich macht.
Schutzumfang Äußeres und Inneres wie beschrieben - Siehe Gutachten des LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland vom 20.07.2018 -
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