| Merkmale | Wandel- und Kurhalle (Kneipp-Wasserheilanstalt), errichtet 1896 im Hof des Wohnhauses Kármánstraße 13; eingeschossiger, die gesamte Parzellenbreite einnehmender Baukörper als Backstein- und Fachwerkkonstruktion auf einer Grundfläche von 7 x 16m, nordwestliche Traufe an höheres Hinterhaus der Hs.Nr. 15 angebaut; Satteldach im Firstbereich erhöht für Fensterbänder an den Längsseiten; Eingang mit Holztür von Nordosten unter Vordach, daneben zwei zweiflügelige Holzfenster mit Treibriegelverschluss. Satteldachflächen mit Ziegeldeckung. Zum Innenraum offenes hölzernes Tragwerk mit vier Bindergespärren (Sprengwerke) auf Wandkonsolen, gedrechselte und gefaste Holzelemente; Fußpunkte Traufhöhe durch verzierte eiserne Zugstäbe verbunden. Unterer Wandbereich umlaufend Blau-Weiß gefliest, z.T. mit abschließender Profilleiste. Die ehem. mittig in der Halle angeordneten Einzelzellen für Anwendungen nicht mehr erhalten. |
| Begründung | Das Objekt ist bedeutend die Geschichte des Menschen und für Städte und Siedlungen. Für seine Erhaltung und Nutzung liegen wissenschaftliche und städtebauliche Gründe vor.
Bedeutung für die Geschichte des Menschen und für Städte und Siedlungen:
Innerhalb eines Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen Baublocks, im Hinterhof des seit 1894 bestehenden Wohnhauses Kármánstr 13, wurde 1897 eine Wandelhalle und Kneipp-Anstalt errichtet. Der Baublock entstand in der Zeit der Industrialisierung und des Bevölkerungswachstums, als die mittelalterlichen Stadtmauern überwiegend abgebrochen, neue Stadtviertel angelegt und v.a. Freiflächen der Innenstadt zeitgemäß verdichtet wurden. Die Blockrandbebauung mit zumeist historistisch geprägten Wohnhäusern und weiteren, niedrigen Anbauten und Hinterhäusern zum Innenbereich ist typisch für das späte 19. Jahrhundert. Insofern zeigt dieser Innenstadtbereich eine durchaus typische Entwicklung der jüngeren Stadtgeschichte an, zu der ganz wesentlich die intensive Nutzung der Höfe bzw. Blockinnenbereiche gehörte.
Ende des 19. Jh. wurden durch den schwäbischen Pfarrer Sebastian Kneipp (1821-1897) die nach ihm benannten Verfahren der Kneipp-Medizin und seiner ganzheitlichen Gesundheitskonzepte entwickelt und europaweit bekannt. Die therapeutischen Verfahren Sebastian Kneipps sorgten für eine langjährige Auseinandersetzung mit der Schulmedizin. Vor allem aber fanden die Kneipp´schen Verfahren in der damaligen Öffentlichkeit großes Interesse, was auch seine umfangreichen Vortragsreisen mit tausenden Besuchern bezeugen, so auch in Aachen mit ca. 1500 Zuhörern im Jahr 1896. In den 1890er Jahren entstanden zahlreiche Kneipp- und Naturheil-Vereine. Die Vereine betrieben unter zumeist ärztlicher Leitung Kneipp-Anstalten, in denen Patienten mit den Kneipp-Verfahren behandelt wurden.
Die erste Kneipp´sche Wasser-Heilanstalt in Aachen wurde 1894 an der Friedrichstraße 46 eingerichtet. Vermutlich aufgrund der stark gestiegenen Mitgliedszahlen und des erhöhten Bedarfs wurde 1897 die hier zur Rede stehende Wandelhalle und Kneipp-Anstalt in der Vincenzstraße 13, heute Kármánstraße 13, unter Leitung des Kneipp-Arztes Dr. Adolph aus Köln eröffnet. Damit ergänzt die Kneipp-Anstalt als wesentliche Wirkungsstätte des Kneipp-Vereins in der Zeit zwischen 1897 und ca. 1925 das bereits durch das Thermal-Kur- und Badewesen geprägte städtische und gesellschaftliche Gefüge Aachens.
Die erhaltene Kneipp-Anstalt ist ein Zeugnis der Kneipp-Bewegung und eine Wirkungsstätte des Aachener Kneipp-Vereins. Als therapeutische Behandlungsstätte und gesellschaftlicher Treffpunkt ist die ehem. Wandelhalle und Kneipp-Anstalt ein wichtiger Bestandteil der Stadtgesellschaft am Ende des 19. Jahrhunderts. Bis heute gibt es europaweit Kneipp-Vereine, welche die Ideen der Kneipp-Medizin vermitteln und fortführen.
Ferner liegen für Erhalt und Nutzung vor:
Wissenschaftliche, insbesondere architektur- und medizinhistorische Gründe:
Der Bau stellt eine der wenigen im Aachener Stadtgebiet erhaltenen offenen Hallen der Zeit um die Jahrhundertwende dar. Vergleichbar in der Holzkonstruktion und der Art des zum Raum offenen und durch Zierelemente gerprägten Dachstuhls bietet die ältere und größere sog. Couven-Halle in unmittelbarer Nachbarschaft sowie die jüngere Turnhalle der ehem. Volksschule an der Kaiserstraße. Es verwundert somit nicht, dass die Kneipp-Anstalt durch einen Schreiner- und Zimmereibetrieb geplant und errichtet wurde. Besonders ist in der Kneipp-Anstalt, dass diese aufgrund ihrer Lage im engen Blockinnenbereich und der Parzellenausnutzung hauptsächlich über zwei traufseitige Fensterbänder im Dach erhellt wird. Weitere Belichtung erfährt das Gebäude über zwei Holzfenster zum Hof.
Ähnlich wie aus den Thermalbädern (z.B. Kaiserbad) bekannt waren auch in der Kneipp-Anstalt Einzelkabinen für Anwendungen eingerichtet. Der noch erhaltene umlaufende und hohe weiß-blaue Fliesenspiegel deutet auf die hier durchgeführten Wasseranwendungen hin und stellt zudem ein einfach zu reinigendes Element im Kneipp-Bereich dar.
Wenn auch die Einzelkabinen nicht erhalten sind, so verweist die Ausstattung dennoch auf die Funktion und den bescheidenen gestalterischen Anspruch des Gebäudes.
Auffällig ist der Kontrast der im privaten Hinterhof gelegenen Kneipp-Anstalt zu den in Aachen etablierten und mondänen Thermal-Bade- und Kurhäusern. Dies mag zum einen an der vergleichsweise geringeren Patientenzahl, der Besonderheit des Betriebs durch einen privaten Verein, vielleicht auch an den Ende des 19. Jh. durchaus noch strittigen Kneipp-Verfahren und den Diskurs mit der etablierten (Schul-)Medizin gelegen haben. Vermutlich sah sich der Kneipp-Verein aber auch nicht als Konkurrenz zum traditionellen Aachener Kurwesen, sondern beschränkte sich im Sinne Sebastian Kneipps auf die konzentrierte Anwendung der Naturheilverfahren und weniger auf das gesellschaftliche Ereignis eines Kuraufenthalts internationaler Gäste in Aachen.
Für die Architektur- und Medizingeschichte stellt der Hallenbau von 1897 mitsamt seiner wandfesten Ausstattung ein wichtiges Zeugnis dieses Bautyps und der medizinischen Entwicklung dar.
Städtebauliche Gründe:
Der Bereich Kármán- bzw. ehem. Vincenzstraße und Beginenstraße war bis in das 19. Jh. nur zum Teil bebaut. Nordwestliche der Bebauung entlang des Annuntiatenbaches befanden sich hier zur nahen inneren wie auch zur äußeren Stadtmauer große Frei- bzw. Gartenflächen innerhalb des Stadtgebietes. Nach der Niederlegung der Stadtmauern wurden Ende des 19. Jh. die Beginen- und die Vincenzstraße als Verbindung vom Annuntiatenbach zum neu bebauten Templergraben (anstelle der hist. Stadtmauer) angelegt. Das Areal wurde zum Teil durch Großbauten wie die benachbarte ehem. Volksschule sowie Oberrealschule (heute RWTH-Institut) nebst sog. Couvenhalle, als auch durch die typische Wohnhausbebauung der Zeit um 1900 verdichtet. Letztere wurde als klassische Blockrandbebauung mit drei- und vierachsigen traufständigen Wohnhäusern entwickelt. Typisch für die Bauten der Zeit ist auch die Bebauung des Blockinnenbereich mit angeschlossenen schmaleren Anbauten bzw. Hinterhäusern auf den Parzellen, z.T. für Gewerbe (vgl. Struktur des z.T. zeitgleich entstandenen Frankenberger Viertels). Die Kneipp-Anstalt wurde auf der lang gestreckten Parzelle des Hauses Vincenzstr. Nr. 13 unter Ausnutzung der gesamten Parzellenbreite errichtet und ist Teil dieser städtebaulichen Struktur und Verdichtung, die in ihrer Gesamtheit hier noch gut erhalten ist.
Die Voraussetzungen des § 2 Denkmalschutzgesetz Nordrhein-Westfalen für die Eintragung in die Liste der geschützten Denkmäler sind daher erfüllt. |