Merkmale | Gebäudekomplex erbaut im 18./19. Jahrhundert als dreiflügelige Hofanlage mit separat stehendem sog. Herrenhaus, ab 1967 prägender Umbau und Erweiterung durch Architekt Prof. Fritz Eller als sein eigenes Wohnhaus. Vom ehem. Backsteinhof noch erhalten das nach Süden abgerückte sog. Herrenhaus, weiß geschlämmte zweigeschossige Fassaden in 3:2:1 Achsen, Westfassade verschiefert, Fenster mit Blausteingewände und Klappläden, schiefergedecktes Walmdach; in Innern Kellerraum mit Backsteingewölbe, Holztreppe mit Geländer, EG und OG mit verputzen Balkendecken mit Stuckrahmung, stuckierte Ofennische, Rahmenfüllungstüren mit Beschlägen, DG mit Krummstreben erhalten. Von den beiden ehem. Wirtschaftsgebäuden Teile der feldseitigen Außenmauern sowie die südlichen Giebel erhalten, davon der östliche mit drei charakteristischen Okuli; Kubatur mit Satteldächern erhalten, Hohlfalzziegel.
Die Neubauten Ellers in Ausrichtung und Baufluchten (partiell) dem Charakter der hist. Hofanlage angepasst, in Architektursprache und Materialität deutlich modern: Nach außen weitgehend geschlossene Anlage, weiß gefasste Backsteinwände, Wasserspeier aus Beton, in der Nordfassade Holztor mit Segmentbogen. Als markante moderne Zutat tritt ein erhöhter Baukörper auf trapezförmiger Grundfläche spitzt aus der Mauerflucht hervor, dieser seitlich mit großer Glasfläche, daneben Traufe herabgesetzt und verglaste Loggia im OG, Fenstergrößen unregelmäßig und weitgehend rahmenlos; Nordflügel mit Flachdach und Dachterrasse.
Der gesamte Gebäudekomplex zum Hof kontrastierend modern, transparent und offen gestaltet mit nahezu vollständig verglasten Fassaden, vor Ost- und Nordflügel z.T. Laubengang auf oktogonalen Betonstützen. Materialdominanz von schalungsrauhem Sichtbeton und gliedernden dunkel gefassten Fensterrahmen und Geländer, Fassadenabschluss durch Beton-Attika mit vorkragenden Wasserspeiern. Hofpflaster mit geometrischem Muster aus dreieckigen Betonplatten, dazwischen Kopfsteinpflaster, vor Glasfront EG Übergang zu Bodenbelag aus kleinen, dreieckigen Terrakottafliesen im gleichen Grundmuster; vor den EG-Fenstern des Ost- und Nordflügels Wasserbecken. Im Innern Raumstruktur und wandfeste Ausstattung der 1960er Jahre erhalten, konsequente Fortführung der außen sichtbaren Materialverwendung: Terrakottaböden in beiden Geschossen, Sichtbetondecken und Kalksandsteinwände (nachträglich überwiegend weiß gefasst, wenige verputzt), dunkle raumhohe Holztüren, Parkettböden in den Schlafräumen. Hauptzugang über Nordflügel, hier geradläufige Treppe zum OG. Im Nordflügel teils offene Aneinanderreihung der Wohn- und Gemeinschaftsräume, zweigeschossiger Wohnraum in Ecksituation zum Ostflügel mit Eller-typischer Beton-Spindeltreppe mit Metallgeländer, der im Raum stehende runde offene Kamin(zug) zylinderförmig bis zum Dach geführt; OG Nordflügel mit Küche und Speisezimmer mit Glasdach, Durchwegung mittels hofseitiger Enfilade. Im Ostflügel Anordnung der Schlafräume und Badezimmer in beiden Geschossen, Erschließung im EG durch außen liegenden Flur, im OG mittels hofseitiger Enfilade. Vor südl. Giebelwand bis zum Dach offener Raum mit Schwimmbad. Westflügel nach außen mit weitgehend geschlossener Fassade, im EG zum Hof als offener Unterstand, Betongesims, Holzbalkendecke mit achteckiger Sichtbetonstütze; im OG Atelierräume, zum Hof über die Traufkante hinweg verglast, nach Westen Lichtband in der Dachfläche; großer Atelierraum mit Dachstreben und Rundstützen, raumhohe Türen. Zugang über anschließende Wohnräume im Nordbau. Im Gelände befindet sich ein hist. Brunnenschacht. |
Begründung | Die Hofanlage "Muffet" und Wohnhaus Simpelverlder Straße 48 in Aachen ist einschließlich der Ausstattung wie dargestellt und beschrieben ein Baudenkmal im Sinne des § 2 DSchG NRW. Es ist bedeutend für die Geschichte des Menschen und der Städte und Siedlungen. An seiner Erhaltung und Nutzung besteht aus künstlerischen und wissenschaftlichen, hier architekturgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse.
Bedeutung für die Geschichte des Menschen und der Städte und Siedlungen:
Die Hofanlage "Gut Muffet" an der Simpelvelder Straße besitzt eine über Aachen hinausreichende Bedeutung. Das spätestens im 16. Jahrhundert bestehende Gut lag außerhalb der Stadt auf den westlich anschließenden Höhen. Als landwirtschaftliches Gut bestand der Hof innerhalb seiner zugehörigen Ländereien in bis in die 1960er Jahre hinein in Alleinlage. Die Hofanlage selbst war für die Versorgung der Stadt mit landwirtschaftlichen Gütern wichtig und ist Teil der noch nachvollziehbaren um die Stadt verteilten Hofstellen, die überwiegend bereits im Mittelalter nachweisbar sind und in späterer Zeit gerne als Landsitze wohlhabender Aachener Familien dienten. Die erhaltenen historischen Bestandteile des Backsteinhofes, darunter Teile der Außenmauern und Giebel der beiden Wirtschaftsgebäude sowie das südlich etwas abgerückt stehende "Herrenhaus" entstammen einer Bau- oder Umbauphase des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts.
Namentlich weist die Hofanlage auch auf den nahen städtischen Richtplatz hin, dies sich der Nähe befand. Ein südlich am Gut vorbeiführender Weg wurde entsprechend als Galgenweg bezeichnet und der Hof selbst als "Haus hinter dem Galgen" bezeichnet.
Erst mit der der Bebauung der Flächen im Bereich zwischen Simpelvelder und Heerlener Straße wurde der Hof von der heutigen Reihenhaussiedlung umgeben. Nur die für ein landwirtschaftliches Gehöft charakteristische äußere Geschlossenheit und die unverbaute Fläche zur Simpelvelder Straße zeugen noch von der Zeit vor der Stadterweiterung der 1960er Jahre. Das Gut zeugt somit einerseits auch von der städtebaulichen Entwicklung und Verdichtung der 1960er Jahre, andererseits ist es selbst ein herausragendes Beispiel zeitgenössischer Architekturströmungen: 1966 konnte der vom Abriss bedrohte Hof durch die Beteiligung von Stadt- und Landeskonservator, Dezernat und Universität an Professor Fritz Eller verkauft werden. Eller bezog Teile der historischen Hofanlage in seinen Neubau ein und entwickelte diese zeitgenössisch weiter, v.a. das separat stehende sog. Herrenhaus verblieb im historischen Zustand. Der Nordflügel, das ehem. Wohnhaus des Hofes, wurde durch den Neubau Ellers vollkommen ersetzt, die Wirtschaftsflügel damit wieder verbunden und alle Fassaden zum Hof hin neu ausgeführt und modern vereinheitlicht. Die Hofanlage diente fortan der Familie Eller als Wohnsitz bis ins Jahr 2017/18. Fritz Eller war als einer der bedeutendsten Architekten der Nachkriegsmoderne, der über 50 Jahre in Aachen lebte, als Professor an der RWTH lehrte und mehrere Gebäude in der Stadt errichtete oder modernisierte. Neben einem weiteren Wohnhaus sind hier insbesondere das Ludwig-Forum sowie mehrere RWTH-Gebäude zu nennen. Ellers Schaffen und sein Einfluss sind somit auch für die Geschichte der Stadt von Bedeutung.
Ferner liegen für Erhalt und Nutzung vor:
Künstlerische Gründe:
Für den Entwurf seines eigenen Wohnhauses verantwortlich zeichnete der Architekt Fritz Eller (1927-2018). Zusammen mit seinen späteren Büropartnern Robert Walter und Erich Moser siedelte Eller Anfang der 1950er Jahre von Österreich ins Rheinland, wo sie als freie Mitarbeiter, später als Partner im Architekturbüro Hentrich und Petschnigg arbeiteten.
Hier wurde ihr prägnanter Einfluss auf die Entwürfe architekturhistorisch bedeutender Bauten der Arbeitsgemeinschaft, wie z.B. das Friedrich-Engelhorn-Hochhaus der BASF in Ludwigshafen (1954 - 57), das Dreischeibenhaus in Düsseldorf (1957 - 60), das Unilever-Haus in Hamburg (1961 - 64) u. a, deutlich.
1963 verließen Eller, Moser und Walter die Arbeitsgemeinschaft und gründeten Ihr eigenes Architekturbüro EMV in Düsseldorf. Im selben Jahr erhielten sie nach einem gewonnenen Wettbewerb den wichtigen Auftrag für den Neubau zahlreicher Gebäude auf dem Campus der Ruhruniversität Bochum (1964 - 1972). Mit diesem Projekt setzten sie Maßstäbe für die Planungen zum Bau weiterer Campus-Universitäten in Deutschland in den 1960er und 1970er Jahren. In der Folge fand das Büro insbesondere in den Bereichen Hochschul-, Schul-, aber auch Verwaltungsbau seinen Tätigkeitsschwerpunkt (z.B. Campus der Universität Duisburg-Essen in Duisburg Neudorf, 1981 - 1985). Das Hauptwerk des Büros, das Gebäude für den Landtag von Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf (1979-1988) verdeutlicht die in den 1970er und 1980er Jahren für mehrere Werke des Büros charakteristische Auseinandersetzung mit Grundformen in der Grundrissgestaltung und Abweichungen vom rechten Winkel. Im Schaffen des Büros und im speziellen von Fritz Eller ist der Wandel von geradliniger, rational geprägter Funktionalität und geometrischer Formensprache hin zur Komposition unterschiedlicher Raumelemente und runder Formen nachvollziehbar.
Fritz Eller wurde mit nur 35 Jahren als Professor auf den Lehrstuhl für Hoch- und Industriebauten an die RWTH Aachen berufen und lehrte dort neben Kollegen wie Gottfried Böhm, Volkwin Marg und anderen. Zudem war er Direktor des Instituts für Schulbau und forschte zur baulichen Modernisierung des Schul- und Hochschulwesens. Mit seinem Büro EMW war er Wegbereiter der Nachkriegsmoderne und eines internationalen Stils in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg. Eller war maßgeblich am Bau bedeutender und international beachteter Gebäude der jungen BRD beteiligt. Als Hauptwerk des Büros EMW gilt das Gebäude des Landtags Nordrhein-Westfalen.
Der in Aachen lehrende und wohnende Architekt Fritz Eller hat auch in der Stadt selbst mit dem Umbau des Ludwig Forums, Bauten der RWTH sowie den beiden Wohnhäusern an der Simpelvelder und der Rathausstraße prägnante und für sein Gesamtwerk wichtige Bauten hinterlassen. Sein persönliches Atelier im westlichen Flügel des Gut Muffet war kreativer Rückzugs- und Schaffensort. Das Haus war nicht nur Wohnung, sondern auch Ort des Austauschs und der Begegnungen zwischen Künstlern, Kulturschaffenden und Personen der Zeit.
Die um sein eigenes Wohn- und Familienhaus erweiterte ehem. Hofanlage Simpelvelder Straße 48 ist aus künstlerischen Gründen erhaltenswert als persönliches Werk des für die Nachkriegsarchitektur in Deutschland bedeutenden Architekten Professor Fritz Eller.
Wissenschaftliche, hier insbesondere architekturgeschichtliche Gründe:
Vom ehem. Hof des 18./19. Jahrhunderts sind prägende Elemente erhalten, welche als Zeugnis der damaligen Architektur und zeitgenössischen Stilelementen von Bedeutung sind. Dazu zählt - neben der typischen Hofstruktur und Materialität aus Back- und Blaustein - insbesondere das weitgehend erhaltene sog. Herrenhaus. Das Gebäude ist aufgrund der maßvollen, wohlproportionierten Architektur und der zurückhaltenden Gestaltung mit großen Rechteckfenstern mit Blausteinrahmung und Keilstein, sowie der regionaltypischen Rechteckschieferdeckung des Walmdaches ein gut nachvollziehbares Beispiel des regional geprägten frühen Klassizismus. Der gute Überlieferungszustand des Gebäudes auch im Innern mit Holztreppe, Türen, Stuckdecken und stuckgerahmter Ofennische, Dielenböden sowie dem erhaltenen Dachstuhl weisen das Gebäude als wichtige Quelle für die Baugeschichte aus. Die für ein landwirtschaftliches Gut recht hochwertige, bürgerliche Ausstattung weist vermutlich auf wohlhabende Besitzer oder die Nutzung als zeitweisen Landsitz vor den Toren der Stadt hin.
Einen besonderen architekturhistorischen Stellenwert erhält die Hofanlage ferner durch den ab 1967 erfolgten Umbau durch Prof. Fritz Eller. Im Werk des Architekten bzw. seiner Bürogemeinschaft Eller, Moser, Walter (EMW) sind - soweit zum jetzigen Zeitpunkt bekannt - nur gelegentlich Wohnhäuser anzutreffen. Allerdings erlauben gerade Einfamilienhäuser im Werk von Architekten beziehungsweise Architektengemeinschaften sehr oft interessante Einblick in jeweilige gestalterische Haltungen und Überlegungen, weswegen ihnen auch dann ein besonderer Zeugniswert zukommt, wenn sich das Schaffen eines Architekten oder einer Architektengemeinschaft überwiegend auf andere Bauaufgaben konzentriert hat.
Im Fall seines eigenen Wohnhauses kommt dieser Erkenntnis nochmal ein besonderer Stellenwert zu, denn der Entwurf des eigenen Familienhauses dokumentiert in fast schon intimer Weise die Ansprüche Ellers (und seiner Familie) an Funktion, Gestaltung und Wohnkultur. Das Wohnhaus bildet ein Konglomerat, das zum einen durch die Leitplanken des Bestandsgebäudes und der typischen Charakteristik des historischen Hofes begrenzt ist und in welche sich der Neubau einfügen musste. Andererseits aber finden die in dieser Zeit für Eller bzw. die Entwürfe des Büros EMW typischen Gestaltungsideen (vgl. den zeitgleichen Bau der Universität Bochum) und Materialien hier Einzug, ebenso wie sehr individuelle Noten und Detailgestaltungen. Das Wohnhaus Ellers ist damit ein charakteristisches und anspruchsvolles Zeugnis wichtiger Architekturtendenzen im Wohnungsbau der 1960er Jahre.
Ein gänzlich anders gestaltetes, jüngeres Wohnhaus errichtete Eller bzw. sein Büro an der Rathausstraße im Aachener Stadtteil Laurensberg für die Professorenfamilie Kopecky. Bei diesem 1979 entworfenen Bau ist eine gewisse Parallelität zum Grundprinzip der im selben Jahr entstandenen Wettbewerbsentwürfe für das Gebäude des Landtags Nordrhein-Westfalen zu erkennen. Die prägende Grundform wird hier von der Form zentraler Räume abgeleitet. Aus weiteren sich zum Teil überschneidenden Grundformen oder Teilen der Grundform ergibt sich eine aufgelockerte und in der Höhenentwicklung gestaffelte Bauteilgruppe und damit ein andere Disposition als noch am eigenen, mehr als 10 Jahre zuvor errichteten Wohnhaus, das zwar vereinzelt strenge Baufluchten aufbricht und spannende Unregelmäßigkeiten aufweist, insgesamt aber einer geschlossenen, kubischen Form folgt. Im direkten Vergleich der beiden von Eller entworfenen Aachener Wohnhäuser zeigt sich eine deutliche Entwicklung seiner Entwurfscharakteristik: Von klaren Grundrissstrukturen und rechten Winkeln seines eigenen Wohnhaus zur Kombination verschiedener Raumformen und polygonaler Strukturen.
Sowohl die historische Hofanlage, speziell das gut erhaltene sog. Herrenhaus mit seiner weitgehend erhaltenen Struktur und wandfesten Ausstattung, als auch der Neubau Ellers als Zeugnis der Architektur der 1960er Jahre sowie der zeitgenössische Umgang mit der historischen Bausubstanz sind für die Architekturgeschichte und Wissenschaft von hoher Bedeutung und dienen als wichtige bauliche Quelle.
Die Voraussetzungen des § 2 Denkmalschutzgesetz Nordrhein-Westfalen für die Eintragung in die Liste der geschützten Denkmäler sind daher erfüllt. |