Merkmale | Erbaut um 1780, wahrscheinlich durch Jakob Couven für den Burtscheider Tuchfabrikantenfamilie Pastor, wesentliche Erweiterung um 1890; 3-geschossiges Eckhaus mit schmalen, 1½- und 3-geschossigen Anbauten zur Eckenberger Straße. Backsteinfassade mit Blaustein- und Putzgliederung, Hauptfassade zur Altdorferstr. in 7 Achsen mit 1-achsigem Mittelrisalit (Eingangsachse), im Dachbereich durch architektonisch gegliederten Dachausbau betont; Seitenfassade zur Eckenberger Straße verputzt mit 2-geschossigem Erker und Balkon, darüber Blendgiebel; Rückseite 3-geschossig in 6 Achsen, backsteinsichtig, größtenteils erneuerte Holzfenster mit Blausteingewänden und Stichbogen; Mansarddach. Anbau ebenfalls backsteinsichtig, erneuerte Holzfenster mit Backsteingewände und Stichbögen, Flachdach mit Brüstungsgitter. Der Gartenseite vorgelegt hist. Blaustein-Terrasse mit Einfriedung (Pfeilerarchitektur in Blaustein mit Eisengitter). Innen: nahezu vollständig erhaltene Raumstruktur und wandfeste Ausstattung des 18. / 19. Jh.; Haupthaus vollständig unterkellert, großes Tonnengewölbe mit zugesetzten Kellerhälsen zur Altdorfstraße; EG und OGs mit Marmor- und Dielenböden, Holztreppe mit gußeisernem Geländer; Stuckdecken zwischen verputzten Mutterbalken, Ofennischen, hist. (Doppelflügel-)Türen, Reste von Wandfassungen; DG z.T. nicht ausgebaut, hier Fachwerkkonstruktion. Hist. Dachstuhl. Im Anbau Holztreppe mit gedrechselten Geländerstäben; Flur mit Mettlacher Platten, Hohlkehlendecken, ehem. Waschküche mit hist. Holzfenstern mit Klappläden und Blausteinbecken; OG hinterer Anbau ausgebaut. |
Begründung | Das Objekt ist bedeutend für die Geschichte des Menschen und für Städte und Siedlungen. Für Erhaltung und Nutzung liegen künstlerische, wissenschaftliche, hier insbesondere architektur- und lokalhistorische, sowie städtebauliche Gründe vor.
Bedeutung für die Geschichte des Menschen:
Das Gebäude Altdorfstraße 35 stellt eines der wenigen fast vollständig erhaltenen Häuser des späten Barock in Aachen bzw. Burtscheid dar. Seine Entstehung und seine Hauptbauphasen hängen im Wesentlichen mit zwei Fabrikantenfamilien zusammen, die für die Entwicklung von Burtscheid und Aachen von großer Bedeutung waren. Es verkörpert durch seine Größe, Gestalt, Ausstattung und seine Bewohner eine Zeit, in der die beiden Städte vor allem durch Tuch- und Nadelfabrikation geprägt waren. Die wohl-habenden Fabrikanten konnten sich, wie höchstwahrscheinlich in diesem Falle die Familie Pastor, renommierte Architekten wie Jakob Couven und den Bau repräsentativer Häuser leisten. Diese Gebäude prägten das Bild der Städte sowohl in architektonischer als auch in gesellschaftlicher Hinsicht. Das stattliche Gebäude stellt somit auch die Lebensumstände einer wohlhabenderen Bauherrenschaft Ende des 18. Jh. dar.
Bedeutung für Städte und Siedlungen:
Während große Teile des historischen Siedlungskernes von Burtscheid durch die Zerstörungen des 2. Weltkriegs verändert wurden, hat sich hier an der Altdorfstraße ein vielschichtiges Bild mit Gebäuden des 18. bis frühen 20. Jh. weitgehend erhalten. Die Altdorfstraße zählt, wie der Name vermuten lässt, zu den mittelalterlichen Siedlungskernen der ehemals eigenständigen Stadt Burtscheid. Die bestehenden Gebäude sind entsprechend dem zeitgenössischen Geschmack und den zur Verfügung stehenden Mitteln unterschiedlich gestaltet. Sie verweisen somit aufgrund ihrer Größe, Anlage und Aus-prägung auf die Bedeutung und wirtschaftlichen Verhältnisse der ehemaligen Bewohner. Das Gebäude Altdorfstraße 35 ist mit seiner Bauzeit um 1780 das älteste noch erhaltene Gebäude der an der Altdorfstraße. In dieser Zeit prägten wenige wohlhabende und einflussreiche Fabrikantenfamilien die von Tuch- und Nadelproduktion dominierte Wirtschaft und das Bild der Stadt. Der repräsentative Bau der Familie Pastor lag ursprünglich frei und grenzte an einen Park.
Das Gebäude Altdorfstr. 35 zeigt ein einheitliches, homogenes Bild einer Ende des 18. Jh. in Aachen etablierten, spätbarocken Haus- und Fassadengestaltung. Bemerkenswert ist dabei, dass bei der 1890 erfolgten Erweiterung und Aufstockung des um 1780 errichteten, zweigeschossigen Gebäudes die älteren Formen der Hauptfassade exakt und respektierend übernommen wuden. An der Seitenfassade wurden die barocken Formen im Sinne des Historismus neu kombiniert.
Das Gebäude zeigt die typische Gestalt eines spätbarocken Wohnhauses der wohlhabenden Obeschicht, wie es im Aachen / Burtscheider Stadtraum nur noch selten zu finden ist. Für die Entwicklung der Stadt, ihrer Struktur und Architektur ist das Haus Altdorfstr. 35 und sein städtebaulicher Kontext bedeutend.
Ferner liegen für Erhalt und Nutzung vor:
Künstlerische Gründe:
Aufgrund von architekturhistorischen Vergleichen und der Ende des 19. Jh. erfolgten Zuschreibung durch den späteren Aachener Dombaumeister Buchkremer ist die Urheberschaft von Jakob Couven als Architekt des Baus sehr wahrscheinlich.
Couven wurde 1735 in Aachen geboren und starb dort 1812. Er folgte als wichtiger, den Aachener Raum prägender Architekt seinem Vater Johann Josef Couven, bei dem er auch in die Lehre ging. Er war, wie sein Vater, bei der Stadt Aachen als Rats- und später Hauptsekretär angestellt. Währenddessen war seine Tätigkeit als Architekt und Baumeister vor allem nebenberuflich. Erst mit dem Bau der Neuen Redoute, seinem Hauptwerk, erhielt Couven weitere Projekte durch die Stadt Aachen sowie verstärkt aus den benachbarten Regionen. Zu seinen wichtigesten Bauten in Aachen zählen neben der Neuen Redoute (Altes Kurhaus) das Haus Fey (zerstört), Haus Brüssel am Markt, Haus Monheim (heutiges Couven-Museum) und das Haus Eckenberg in Burtscheid (zerstört). Für die Ausführung seiner Entwürfe arbeitete er zumeist mit der Burtscheider Bauunternehmerfamilie Klausner zusammen.
Auch wenn der endgültige Beweis der Urheberschaft Couvens bisher fehlt, so stellt das Gebäude doch ein wichtiges, künstlerisches Zeugnis des zeitgenössischen Bauschaffens im Umfeld der Couvenschen Architektur dar.
Die Erweitung des barocken Baus, bei der die Couven?sche Architektur weitgehend bewahrt und zugleich stringent fortgeführt wurde, erfolgte 1890 durch die Bauunternehmung Victor Jerusalem. Für die Wahrung und Fortführung des spätbarocken Erscheinungsbildes sprachen wahrscheinlich Traditionsgründe der Fabrikantenfamilie. Die dahingehend qualitative Ausführung und umsichtige Planung sprechen für die Fähigkeiten des Baubüros und der beschäftigten Handwerker. Das Unternehmen ist zudem wichtig für die Aachener Geschichte, da es wenig später mit Arnold Königs einen wichtigen Aachener Architekten einstellte, der das Unternehmen alsbald in Eigenregie übernahm.
Wissenschaftliche, insbesondere architekturhistorische, und lokalhistorische Gründe:
Die beiden wesentlichen, prägenden Bauphasen des Gebäudes sind nachvollziehbar und ablesbar. Dazu gehört der um 1780 errichtete zweigeschossige Baukörper mit seinen spätbarocken Fassadengestaltungen aus Backstein mit gliedernden Elementen aus Blaustein. Zeittypisch sind ferner Fensterformate und deren Stichbogenstürze mit Keilstein sowie "Ohren" an den Fensterge-wänden, Werksteinsockel und eine strenge Gliederung der Brüstungsfelder als stilistisches Überbleibsel des für Aachen typischen sog. Steinfachwerkes. Aber auch die sorgfältige Bearbeitung der Werksteinquader mit Scharriereisen ist durchaus charakteristisch. Im Innern haben sich u.a. mit den in Teilen nachvollziehbaren Raumstrukturen, Gewölbe- und Deckenkonstruktionen, umlaufenden Stuckprofilen, Ofennischen, Dielen- und Marmorfussoden bedeutende, spätbarocke Ausstattungdetails erhalten.
Die Ausbauphase der Jahre um 1890 ist fast vollständig erhalten und stellt einen weiteren, erheblichen Teil des Denkmalwertes dar: Dazu gehört die fortgeführte Fassadengestaltung für das 2. OG, die Formen und Gliederung des barocken Baus übernimmt, jedoch statt Werkstein Putz verwendet. Die 1890 vollständig überarbeitete Seitenfassade vermittelt zwischen den barocken Formen und weiteren, der Neorenaissance verhafteten Elementen und ist damit als Mischform typisch für die Architektur des Historismus. Neben den vor allem im Anbau und den Obergeschossen erhaltenen Raumstrukturen und Kontruktionen gehören die Treppen mit hölzernem oder gußeisernem Geländer zur Ausstattung von 1890. Weiter sind Dielen- und Fliesenböden, Türen und einige Fenster mit Beschlägen, in der ehem. Waschküche sogar mit innenliegenden Klappläden, Teil der historischen Ausstattung. Die Stuckdecken sind den älteren Decken nachempfunden und werden durch Hohlkehlendecken ergänzt. Zum Teil ist eine farbige Wandfassung freigelegt. Der historische Dachstuhl dieser Bauphase ist weitgehend erhalten.
Zum historischen Bestand gehört auch die Terrasse aus Blausteinplatten und der Zaun mit Eisenstäben und Werksteinpfeilern.
Das Gebäude ist mit seiner authentisch erhaltenen, historischen Bausubstanz ein wichtiges Beispiel für ein spätbarockes und im Historismus erweitertes Wohnhaus. Es ist somit als wissenschaftliche Quelle für die Erforschung der Architektur, unverzichtbar. Dies muss auch unter dem Aspekt eines selten so vollständig erhaltenen Gebäudes gesehen werden. Insbesonder für Burtscheid, dessen barocke Bauten spätestens im Zweiten Weltkrieg überwiegend verloren gingen, ist das Gebäude nicht zuletzt aufgrund seiner Verbindung zu den wichtigen Tuchmacherfamilien Pastor und Seyler von lokalhistorischem Interesse. Es ist aber auch vor dem Hintergrund eines Aachener Couven-Museums und der bis in jüngste Zeit intensiv verfolgten Couven-Forschung u.a. an der Architekturfakultät der RWTH Aachen von bauhistorischer Bedeutung.
Städtebauliche Gründe:
Das Gebäude ist ein wichtiger Bestandteil des noch in großen Teilen erhaltenen und nachvollziehbaren historischen Charakters der Altdorfstraße. Einige der benachbarten Gebäude stehen ebenfalls unter Denkmalschutz (Nr. 24, 26, 28, 30) und bilden innerhalb des Straßenzuges eine fast geschlossene Baugruppe des 18. bis frühen 20. Jh. mit individuellen Fassaden im jeweiligen Geschmack der Zeit. Insbesondere das Haus Altdorfstraße 35 ist durch seine Eckklage zwischen Alt-dorf und Eckenberger Straße im Ortsbild prägnant. Dazu kommt die mit 17m ungewöhnlich breite, stattliche Fassade mit Mittelrisalit und Mansarddach zur Altdorfstraße sowie die etwa 24m lange untergeordnete Fassade zur Eckenberger Straße, die auch aufgrund ihrer baulichen Details einen charakteristischen Bezugspunkt im städtebaulichen Gefüge darstellen. Insgesamt ist der historische Baubestand an der Altdorfstraße in der Vielfalt der hier erhaltenen Gebäudekubaturen und Fassadenausprägungen des 18.-20. Jh. städtebaulich prägnant.
Die Voraussetzungen des § 2 Denkmalschutzgesetz Nordrhein-Westfalen für die Einstufung als Bau-denkmal sind daher erfüllt. |