Merkmale | Klosteranlage errichtet 1886, von der ehemaligen Klosteranlage erhalten das Zöglinghaus mit anschließendem Verbindungs- und Wirtschaftsbau sowie Priesterhaus (Denkmalnr. 03589). Hauptbaukörper ist das Zöglinghaus als viergeschossiger, neugotischer Bau in 13 zu 4 Achsen, die Treppenhäuser an den Kopfseiten risalitartig mit Treppengiebel betont. Backsteinfassade mit geschossweise zurückspringenden Pfeilervorlagen und Bogenfries-/ Gesimszone unterhalb der Traufe; Zwischen den Pfeilern Fenster mit Segmentbogen und Blausteinsohlbänken; gemauerte Gesimsbänder. An der Südostfassade Ansätze der ehem. Verbindungsgänge sichtbar; südwestl. Giebelseite mit zeittypischen rautenförmigen Zinkblechen verkleidet; Walmdach mit anthrazitfarbenen Rheinlandziegeln, Schleppgauben oberhalb der Fensterachsen. Im Innern hist. Konstruktion und Raumstruktur erhalten, ehem. Speisesaal mit farbigem Steinzeugfliesenboden und Kappendecke auf Säulen, in den Obergeschossen ehem. Schlafsäle, angrenzende (Schwestern-)Zimmer z.T. mit Beobachtungsöffnung, hier Dielenböden; die Obergeschosse mit langen Fluren mit Kreuzgratgewölbe und Steinzeugfliesenboden erschlossen, Treppen mit Blausteinblockstufen und Treppengeländer aus vernieteten Stahlprofilen mit Holzhandlauf, Terrazzoböden auf Treppenpodesten. Die Räume mit kassettierten Rahmenfüllungstüren mit breiten Zargen, Türblätter z.T. mit Verglasung. Dachgeschoss mit hohem Drempel, erhaltene Dachkonstruktion mit stehendem Stuhl.
Verbindungsbau als schlicht gestalteter, zweigeschossiger Zwischenbau in 4 Achsen, Backsteinfassade, rautenförmige Zinkblechverkleidung an der Südwestseite. Satteldach mit Rheinlandziegel. Anschließend dreigeschossiges Waschhaus in fünf Achsen; Backsteinfassaden mit neugotischer Gestaltung wie Zöglinghaus; Treppenhaus als Risalit mit Treppengiebel hervorgehoben; Südwestfassade mit rautenförmigen Zinkblechen. Satteldach mit Rheinlandziegeln. Im EG ehem. Räume für Reinwäsche, Waschmaschinen und Waschbecken sowie Raum zur Wäsche-Annahme und zum Zeichnen der Wäsche. Im OG ehem. Bügelkammer, Trockenboden und die Mangelstube. DG mit ehem. Warmwasserreservoir und Trocken-Flächen; verbindender Wäscheaufzug, Treppe mit Blausteinblockstufen, Treppengeländer aus vernieteten Stahlprofilen mit Holzhandlauf; Terrazzoböden auf Treppenpodesten und im Hauseingangsbereich. z.T. historische Rahmenfüllungstüren. Verbindungs- und Waschhaus mit Segmentbogenfenstern, im EG hist. Metallsprossenfenster, im OG Holzfenster. Nach Nordwesten eingeschossiges Kesselhaus mit Walmdach; geschlämmte Backsteinfassade mit segmentbogigen Öffnungen, hoher Backsteinkamin über quadratischem Grundriss.
(siehe auch Gutachterliche Stellungnahme vom 18.01.2019) |
Begründung | Das Objekt ist bedeutend für die Geschichte der Menschen und für Städte und Siedlungen. Für seine Erhaltung und Nutzung liegen künstlerische und wissenschaftliche Gründe vor.
Bedeutung für die Geschichte der Menschen und der Städte und Siedlungen:
Das Engagement gegenüber den sozialen Konflikten in der Zeit des 19. Jahrhunderts begründet die Entstehung neuer Orden und Kongregationen. Die Kongregation der Schwestern vom Guten Hirten ging hervor aus dem 1825 gegründeten Kloster zum Guten Hirten in Angers. Dessen Oberin, die 1940 heilig gesprochene Maria Euphrasia Pelletier (1796-1868), hatte sich zum Ziel gesetzt, durch den Zusammenschluss der selbstständigen Klöster einen zentralistisch geführten und stärker apostolisch orientierten Orden zu begründen. 1835 wurde ihre Gründung von Papst Gregor XVI. bestätigt. Gründungsintention der Schwestern vom Guten Hirten war die Erziehung und Resozialisierung von Mädchen und Frauen in sozialen Randgruppen, besonders der gefährdeten, benachteiligten und straffällig gewordenen. Diese Intention floss in die Konzeption der Klosteranlagen ein. Die Kongregation breitete sich noch zu Lebzeiten der Gründerin schnell in Europa und in Übersee aus. 1840 wurde mit dem Haus vom Guten Hirten in München die erste Niederlassung in Deutschland gegründet, die zweite Niederlassung erfolgte 1848 in Aachen, dann weitere in Münster und Berlin. Die erhaltenen Bestandteile der Klosteranlage "Zum Guten Hirten" an der Süsterfeldstraße in Aachen sind dafür ein typisches Beispiel. Die Gebäudeteile vermitteln ein Bild des Alltags und der Lebensumstände der hier untergebrachten Zöglinge, welches sich u.a. anhand von Räumen der Unterbringung und angeschlossener Arbeitsstätte (Großwäscherei mit Kesselhaus) ablesen lässt. Die Gebäudegruppe st daher bedeutend für die Geschichte der Stadt Aachen und der in dieser Stadt lebenden Menschen.
Ferner besteht ein öffentliches Interesse an der Erhaltung nach § 2 DSchG NRW aus künstlerischen, wissenschaftlichen, hier insbesondere architektur- und sozialgeschichtlichen Gründen:
Künstlerische Gründe:
Die Anlage wurde durch den Architekten Hermann Joseph Hürth errichtet (*17.5.1847 Köln, +21.2.1935 Aachen). Hürth erhielt seine Ausbildung im Büro von Julius Carl Raschdorff, der zu den wichtigsten Architekten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu zählen ist. Zu seinen Hauptwerken zählen u.a. das Ständehaus in Düsseldorf und der Berliner Dom. Seit den 1870er Jahren war Hürth selbständiger Architekt in Aachen und als solcher mehrfach für die katholische Kirche tätig. Nach seinen Entwürfen entstanden mehrere Villenbauten in Aachen (Villa Monheim) und Bonn, vor allem aber zahlreiche Kirchenbauten, Klostergebäude und Anstalten bzw. Sanatorien (z.B. Santorium venusberg in Bonn; Mutterhaus der Franziskanerinnen in Aachen etc.) Sein umfassendes OEuvre zeigt insbesondere bei kirchlichen Bauten seine Vorliebe für eine rheinisch geprägte neugotische Formensprache und die Verwendung von Backstein-Sichtmauerwerk. Dazu zählen sich wiederholende Motive wie Ecktürmchen, Bogenfriese, Blendbögen und Treppengiebel, welche als charakteristische Bestandteile in den hier genannten Bauten.
Wissenschaftliche, hier insbesondere architektur- und sozialgeschichtliche Gründe:
Von der ehemaligen Klosteranlage haben sich das Zöglinghaus mit anschließendem Verbindungs- und Waschhaus mit Kesselhaus sowie das ehem. Priesterhaus (Denkmalnr. 03589) erhalten. Die Gebäude geben mit ihren erhaltenen Details, u.a. risalitartig vorgezogene Pfeilervorlagen, Gesimsbänder, Bogenfriese, Spitzbogenblenden, Treppengiebel und Walmdach, einen Eindruck der zeitgenössischen Architektur im Stil der Neugotik wieder und stellen damit eine wichtige architekturgeschichtliche Quelle dar. Darüber hinaus repräsentieren sie einen historischen Gebäudetypus, dessen Zweck die Erziehung und Resozialisierung nach damaligem Vorstellungen war, weshalb dieser auch als historische Primärquelle für die Sozialgeschichte dient.
Mittelpunkt der ehem. Klosteranlage war die bis 1981 bestehende Kirche mit zentralem, sechseckigem Altarraum. Zöglinghaus sowie weitere ehem. Gebäude (1981 gesprengt) waren separat über Gänge mit der zentral angeordneten Kirche verbunden, womit eine Personentrennung eingehalten werden konnte. Der Gesamtgrundriss der Anlage und die Ausrichtung auf eine teilweise autarke Versorgung (Wirtschaftsgebäude, Gärten, Kesselhaus etc.) orientierte sich an den im 19. Jahrhundert entwickelten Zucht- und/oder Heilanstalten. Die erhaltenen Raumstrukturen umfassen als zentrales Element entsprechend große Aufenthalts-, Speise- und Schlafsäle in der Mitte des Gebäudes sowie lange Erschließungsflure mit Kreuzgratgewölben. An die Schlafsäle schließen die ehem. Schwesternzimmer an, die über "Beobachtungsfenster" mit den Schlafsälen verbunden waren. Mangelnde Privatsphäre der Zöglinge und ständige Kontrolle, "Arbeitstherapie" im angeschlossenen Waschhaus sowie die an architektonischen Details wie hohen Fensterbrüstungen und gleichartigen Raumstrukturen ablesbaren Intentionen verdeutlichen, dass die Schaffung von Ordnungs- und Zwangsstrukturen zum zeitgenössischen Konzept gehörte und durch die Architektur manifestiert wurde.
Darüber hinaus zeigen die Innenräume von Zögling-, Verbindungs- und Waschhaus typische Elemente einer zeitgenössischen und dem Außenbau angemessenen Ausstattung und Gestaltung. Dazu gehören u.a. Kreuzgratgewölbe, Steinzeugböden, Treppenanlagen mit Blausteinblockstufen, Geländer sowie Terrazzoböden auf Treppenpodesten und in Fluren. Ferner sind zahlreiche historische Rahmenfüllungstüren erhalten. Insbesondere Verbindungs- und Waschhaus weisen noch historische, hochrechteckige Holzfenster auf, im Erdgeschoss des Verbindungshauses sind noch originale Metallsprossenfenster vorhanden.
Das Waschhaus weist außen wie innen eine ähnliche neugotische Gestaltung wie das Zöglinghaus auf. Im Innern ist die grundlegende Struktur mit Arbeitsräumen nachvollziehbar, darunter Räume für Waschmaschinen und Waschbecken, Bügelkammer, Trockenboden und Mangelstube. Die in dem Waschhaus vorhandenen Maschinen wurden über Transmissionsanlagen aus dem benachbarten Kesselhaus angetrieben. Dessen hoher Backsteinkamin verweist auf die Funktion des eingeschossigen Kesselhauses mit ehem. Maschinenraum und Kohlenkammer, was für die Versorgung des Betriebsgebäudes bzw. Waschhaus unerlässlich war. |